Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Antwort der Bundesregierung zur Visabefreiung für Bosnien und Herzegowina

Seit 2008 verfolgt die EU eine Politik der Visumsliberalisierung für die Länder des westlichen Balkans, um die Heranführung an die EU zu unterstützen. Die Menschen der Region konnten als Bürgerinnen und Bürger Jugoslawiens frei in die Länder Westeuropas reisen konnten und verloren dieses Privileg erst mit dem Zerfall Vielvölkerstaates. In den Nachfolgestaaten wuchs daraufhin eine junge Generation heran, von der laut Schätzungen eine sehr deutliche Mehrheit noch nie die Region verlassen hatte. Für die europäische Idee und für das Kennenlernen demokratischer und pluralistischer Gesellschaften ist gerade im Hinblick auf den Westbalkan das Reisen und der Austausch von ernormer Bedeutung. Denn in vielen Ländern der Region bestehen nach den Zerfallskriegen der 1990er Jahre immer noch starke ethnische Spannungen und belasten den Transformationsprozess hin zu demokratischen Gesellschaften.

Nach der Übergabe von Fahrplänen zur Befreiung von der Visumspflicht für den Schengen-Raum schlug die Europäische Kommission im Juli 2009 vor, Montenegro, Mazedonien und Serbien die Visafreiheit zu gewähren, während Bosnien und Herzegowina sowie Albanien Defizite bei der Umsetzung der nötigen Voraussetzungen attestiert wurden. Obwohl von unabhängiger Seite im September 2009 festgestellt worden war, dass Bosnien und Herzegowina inzwischen alle noch ausstehenden Bedingungen erfüllt habe, beschloss der Europäische Rat im Dezember 2009, das Land nicht, wie vom Europäischen Parlament gefordert, in die erste Runde der Visumsbefreiung mit aufzunehmen. Statt dessen vereinbarte der Rat mit dem Europäischen Parlament, die entsprechende Prozedur zur Visumsbefreiung von Bosnien und Herzegowina in einem neuen Verfahren zügig voranzutreiben. Als mögliches Datum der Visumsbefreiung wurde Juli 2010 gehandelt. Nun wird erneut eine Verzögerung für Bosnien und Herzegowina aus technokratischen Gründen befürchtet. Die ausbleibende Visumsfreiheit für Bosnien und Herzegowina verschärft die ethnischen Spannungen, weil bosnische Kroaten und Serben mit Zweitpässen der Nachbarländer bereits frei in die EU reisen können, während für die muslimischen Bosniaken keine solche Möglichkeit besteht.

Frage von Marielusie Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der französischen und italienischen Außenminister, die in einem Artikel in der Le Mond vom 13. April 2010 vor einer Diskriminierung der Muslime auf dem Westbalkan durch Verweigerung der Reisefreiheit für Bosnien und Herzegowina und Albanien warnen und die schnelle Erlangung der Reisefreiheit als fundamental für europäische Integration der Länder der Region bezeichnen, und falls ja, was unternimmt die Bundesregierung, um trotz des äußerst knapp bemessenen Zeitplans die Visabefreiung für Bosnien und Herzegowina bis Mitte dieses Jahres zu erreichen, angesichts der Tatsache, dass Experten die volle Erfüllung der dafür nötigen Voraussetzungen seitens Bosnien und Herzegowinas bereits im September 2009 festgestellt haben?

Antwort des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Dr. Peter Ammon :

Die Bundesregierung hält an der Gemeinsamen Erklärung von Rat und Europäischem Parlament vom 30. November 2009 fest, wonach die Europäische Kommission einem Vorschlag zur Visumfreiheit für Bosnien und Herzegowina und Albanien vorlegen sollte, sobald diese Länder alle Kriterien der mit ihnen vereinbarten Fahrpläne zur Visumfreiheit erfüllt haben. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 4. März 2010 auf Ihre schriftliche Fragen (Bundestags-Drucksache 17/941 ) wird verwiesen.

Die EU-Kommission hat am 19. April 2010 einen Bericht zum Stand der Erfüllung der Kriterien durch Albanien und Bosnien und Herzegowina vorgelegt. Darin werden beiden Ländern gute Fortschritte auf verschiedenen Feldern bescheinigt, aber auch verbleibende Defizite aufgzeigt. Einen Vorschlag zur Aufhebung der Visumpflicht hat die Kommission bisher nicht unterbreitet.

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