Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Persönliche Erklärung zur ISAF-Abstimmung

Persönliche Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Hans-Josef Fell, Tom Koenigs und KRista Sager zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung:

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.

Wir stimmen der Verlängerung des ISAF Einsatzes zu, weil

- die völkerrechtliche Grundlage dieses Einsatzes durch Resolutionen des UN Sicherheitsrates eindeutig ist,

- wir fest an die Verpflichtung der Staatengemeinschaft glauben, auch jenseits von allzu eng gefassten nationalen Interessen Verantwortung übernehmen zu müssen,

- wir spätestens seit dem Völkermord in Bosnien und Herzegowina verstanden haben, dass der Nichteinsatz von polizeilichen und militärischen Mitteln ebenso schuldig machen kann wie der Einsatz von Gewalt,

- gerade die deutsche Geschichte uns verpflichtet, dass nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen darf, dass aber die überfallenen Völker Polens, Frankreichs, Russlands und andere jedes Recht zu ihrer Verteidigung auch unter Einsatz von militärischen Mitteln hatten und ich deswegen nicht davon ausgehe, dass Pazifismus die einzige Konsequenz ist, die wir aus unserer Geschichte ziehen müssen,

- weil diese Geschichte, wenn wir reklamieren aus ihr gelernt zu haben, uns geradezu verpflichtet, bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit unseren Beitrag zum Schutz von Menschen im Rahmen der internationalen Völkergemeinschaft zu leisten, selbst wenn das den Einsatz militärischer Mittel bedeutet,

Wir stimmen zu, weil

- wir nicht nur die zivilen Opfer des militärischen Einsatzes in Afghanistan vor Augen haben müssen, sondern auch die vielen zivilen Opfer, die es unter der Herrschaft der Taliban gegeben hat: ich denke an all die Frauen, die ohne jeglichen ärztlichen Beistand Kinder gebären mussten, weil die Taliban das Gesundheitswesen durch das Arbeitsverbot für Frauen zerschlagen hatten, an die hohe Kindersterblichkeit (mit die höchste der Welt) und an die drakonischen Strafen, denen ungezählte Männer und Frauen zum Opfer fielen.

Wir stimmen zu, obwohl

- dieser Einsatz mit vielen Fehlern behaftet war, insbesondere eine unzureichende Ergänzung der militärischen Mittel durch zivilen Aufbau; auch die vielen Luftangriffe mit ihren zivilen Opfern haben den Militäreinsatz diskreditiert, der doch dem Schutz der Menschen dienen sollte,

- mich die tragischen Ereignisse des Luftangriffes auf die von den Taliban entführten Tanklastwagen auf deutschen Befehl hin schwer erschüttern, ich die Opfer beklage und die Vertuschung der Wahrheit durch die Bundesregierung das Vertrauen in die Regierung erheblich gestört hat.

Wir stimmen zu, weil

- uns politisch aktive Frauen aus der afghanischen Gesellschaft zum Bleiben auffordern,

- sie ohne den Schutz von ISAF nicht weiterarbeiten könnten und bei einem überstürzten Abzug der Truppen die Rückkehr der Taliban und ihrer Schreckensherrschaft vorhersehbar sind, die sich insbesondere gegen die Frauen richtet,

- mit dem Engagement der Völkergemeinschaft in Afghanistan den Menschen vor Ort gegenüber eine Schutzverantwortung übernommen worden ist, die ich als Verpflichtung ansehe und weil der Satz „wir lassen Euch nicht alleine“ ein Versprechen ist.

Wir stimmen auch zu, weil

- Taliban und Al-Qaida in diesem asymmetrisch geführten Krieg es darauf anlegen, durch Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern in den westlichen Demokratien diese Länder zum Abzug zu zwingen, damit sie ihre Macht zurückerobern können,

- ein einseitiger Abzug der Bundeswehr das Gegenteil einer verantwortlichen multilateralen Politik wäre; das weitere Vorgehen in Afghanistan muss innerhalb der internationalen Gemeinschaft abgestimmt werden, die sich dort engagiert hat.

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