Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Antworten der Bundesregierung zur Visabefreiung für Bosnien und Herzegowina und Albanien

Zur Unterstützung des Annäherungs-prozesses der Region des Westlichen Balkans an die EU verfolgt Brüssel seit 2006 den schrittweisen Abbau der Reisebeschränkungen. Ziel ist die Förderung des Austauschs der Region mit der EU. Seit 2008 verfügen alle Länder der Region bis auf das Kosovo über Visumserleichterungsabkommen, die eine Verringerung der Gebühren auf 35 Euro und erleichterte Verfahren vorsehen. In der Folge wurde den Ländern der Region von der EU Fahrpläne mit Reformvorschlägen präsentiert, deren Umsetzung zur vollständigen Abschaffung der Visumspflicht führen. Im Dezember 2009 konnte aufgrund erfolgreicher Reformbemühungen Mazedonien, Montenegro und Serbien die Visumbefreiung gewährt werden. Am 27. Mai 2010 wurd nun auch Albanien und Bosnien und Herzegowina die Visumsfreiheit in Aussicht gestellt, allerdings nicht wie erhofft zum 1. Juli 2010. Schließlich hatten unabhängige Experten für Bosnien und Herzegowina die Erfüllung der Kriterien bereits im Herbst 2009 festgestellt. Vielmehr wurde ein nochmaliger Prüfvorbehalt von der EU engelegt, weil noch Defizite im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption bestünden. Mit der Visumsbefreiung ist nun allenfalls zum Jahresende, wenn nicht später zu rechnen.

Dass Albanien und Bosnien und Herzegowina bislang keine Visumsbefreiung erhalten haben, stößt international auf starke Kritik von NGOs, Experten und Politikern.

Zum einen scheint diese Entscheidung der EU kaum durch die Reformbemühungen der einzelnen Länder begründbar zu sein. Vor allem bei Serbien hatte die EU offenbar deutliche Zugeständisse gemacht, um der sich allmählich einstellende europafreundliche Stimmung in der Bevölkerung keinen Abbruch zu tun.

Zum anderen misst die Europäische Kommission die Bemühungen Albaniens und Bosnien und Herzegowina im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption an kaum stichhaltige Kriterien. Vielmehr wird die Lage sehr allgemein bewertet und zum Beispiel die zu geringe Zahl von Ermittlungs- und Justizverfahren bemängelt, ohne dass dieses Kriterium qualitativ oder quantitativ näher bestimmt worden wäre. Das ohne Zweifel in der gesamten Region vorhandene Problem der Oranisierten Kriminalität und Korruption erscheint so als beliebig auslegbares und damit instrumentalisierbares Kriterium.

Aber vor allem führt die Entscheidung der EU zu einer brisanten politischen Situation in Bosnien und Herzegowina, weil viele der kroatischen und serbischen Bosnier über einen Zweitpass des jeweiligen Nachbarlands verfügen, mit dem sie nun visumsfrei in die EU reisen können. Allein die Bosniaken und Angehörige der Minderheiten können nicht von einem entsprechenden Zweitpass profitieren. Für ein Land, das 15 Jahre nach dem Krieg immer noch von erheblichen Spannungen zwischen den Volksgruppen geprägt ist, ist die Entscheidung der EU damit äußerst problematisch.

Marieluise Beck wandte sich deshalb erneut zu dem Thema mit Fragen an die Bundesregierung:

Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten CPI-Länderindex von Transparency International und dessen Bewertung der Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien, die im Index zwischen den Plätzen 85 und 92 relativ dicht beieinander angesiedelt sind?

Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper:

Der jüngste CPI-Länderindex 2009 von Transparency International (erschienen im vierten Quartal 2009) listet die angegebenen Länder wie folgt:

- Albanien 95

- Bosnien und Herzegowina 99

- Montenegro 69

- Serbien 83

Die Ihnen vorliegenden Zahlen stammen aus dem CPI-Länderindex 2008.*

Der CPI-Länderindex basiert auf sachnahen Erhebungen wie dem "Bertelsmann Transparency Index" und dem "Freedomhouse Nations in Transit Report" und anderen. Einige Statistiken und Umfragen veranlasst Transparency International in der Regel nicht.

Der Report spiegelt die perzipierte Situation in den Ländern wider. Das Ergebnis wird von der Bundesregierung aufmerksam verfogt. Es steht jedoch als Erkenntnisquelle für politische Entscheidungen nur flankierend neben den Berichten der deutschen Auslandsvertretungen und Expertenmissionen bspw. der EU-Kommission, die spezifische Korruptionsfelder beleuchten.

Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

2. Wie begründet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Bewertung der Länder durch Transparency International und insbesondere mit Blick auf die selbst gesetzte strikte Konditionalität das Vorgehen der EU, die einerseits Montenegro und Serbien die Visumbefreiung für den Schengenraum bereits im Dezember 2009 gewährte und andererseits für Albanien und Bosnien und Herzegowina die Visumbefreiung am 27. Mai 2010 wegen Defiziten im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption unter nochmaligen Prüfvorbehalt stellte?

Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper:

Die Entscheidung über die Aufhebung der Visumspflicht für die jeweiligen Westbalkanstaaten ist abhängig von der Umsetzung der in den Raodmaps der Kommission genannten Kriterien aus dem Bereich Dokumentensicherheit, illegale Migration, öffentliche Sicherheit und Außenbezeihungen durch das jeweilige Land.

Der Rat der Justiz- und Innenminiser hat am 30. November 2009 die von der Kommission vorgeschalgene Aufhebung der Visumpflicht für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro und Serbien ab 19. Dezember 2009 beschlossen, da diese drei Staaten die Kriterien der Roadmap erfüllt hatten. Albanien und Bosnien und Herzegowina erfüllten die Kriterien zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Rat und das Europäische Parlament haben aber in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt, dass auch für Albanien und Bosnien und Hergowina weiter die Perspektive auf Visumsfreiheit besteht, sobalds diese Staaten alle Kriteien der Roadmap erfüllt haben.

Die Evaluierungsberichte der Kommission vom April 2010 zeigen gute Fortschritte beider Länder bei der Erfüllung der Fahrplane, aber auch noch Defizite under anderem in den Bereichen Grenzschutz und Öffentliche Sicherheit. Die Kommision hat am 27. Mai 2010 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgelegt, mit dem die Aufhebung der Schengenvisumpflicht für Staatsangehörige Bosnien und Herzegowinas sowie Albaniens beschlossen werden soll.

Der Vorschlag sieht vor, dass die Aufhebung der Visumpflicht beschlossen werden kann, wenn die bisher noch bestehenden Defizite erfüllt worden sind. Jedes Land wird dabei einzeln nach seinen Fortschritten bewerten. Diese Vorgehensweise hatte die Kommison im letzten Jahr auch für Serbien und Montenegro gewählt.

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*Der Vorschlag der Kommission zur Visumsbefreiung für Mazedonien, Montenegro und Serbien im Gegensatz zu Albanien und Bosnien und Herzegowina erfolgte bereits am 15. Juli 2009. Der CPI 2009 lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor und ist damit für die Bewertung der Entscheidung der Kommission nicht relevant.

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