Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Wahlen in Bosnien zeigen: Verfassungsreform bleibt nötig

Zu den gestern in Bosnien und Herzegowina abgehaltenen Wahlen erklärt Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropa:

Die Wahlergebnisse in Bosnien und Herzegowina haben ein weiteres Mal die nationalistischen Parteien bestätigt. Zwar gibt es Fortschritte – auch Parteien, die zur Überwindung der ethnischen Spaltung aufrufen, haben Stimmen hinzugewonnen. Aber die Ergebnisse werden die Blockade des politischen Systems nicht auflösen können. Ein Grund dafür ist die Verfassung auf der Basis des Friedensvertrages von Dayton, der ethnisch begründete und funktionsunfähige Staatsstrukturen geschaffen hat.

Aus Anlass der Wahlen ist an das Urteil des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs vom Dezember vergangenen Jahres zu erinnern. Es kam zu dem Schluß, dass der ethnische Proporz des Staatspräsidium und des Hauses der Völker gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Der Europarat hat deshalb eine Änderung des Wahlrechts in Bosnien und Herzegowina verlangt und damit die vordringliche Aufgabe des neuen bosnischen Parlaments benannt. Hierfür bedarf es zunächst einer Verfassungsreform, die Dayton überwindet.

Die für Dayton mitverantwortliche EU ist ihrerseits in der Pflicht, alle erdenkliche Kraft in den Verfassungsprozess in Bosnien und Herzegowina einzubringen. Denn nur ein Bosnien und Herzegowina, dass die Rechte und Pflichten seiner Bürgerinnen und Bürger nicht nach ethnischen Kriterien bemisst, kann die nötigen Fortschritte für den EU-Beitritt erreichen. In dieser Situation ist es umso wichtiger, dass die EU endlich die Visafreiheit, wie bereits für alle Nachbarländer geschehen, einführt und eine Öffnung für die Menschen erreicht.

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