Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

12. September 2012 - Nach dem Karlsruher Urteil zum ESM

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Bremerinnen und Bremer -

wie Ihr wisst, sorge auch ich mich um die weitreichenden Beschlüsse, die derzeit in vielen europäischen Institutionen und im deutschen Parlament getroffen werden. Ich freue mich zwar, dass die Karlsruher Richter heute den ESM als verfassungskonform bestätigt haben. Ich freue mich auch, dass mit ihrem Urteil die Einhaltung der demokratischen Rechte des Deutschen Bundestages gestärkt wurden, denn die Haftungsgrenze Deutschlands beim ESM kann nur noch mit Zustimmung des Bundestages erhöht werden. Doch zwischenzeitlich hat die Eurokrise eine solche Dramatik erreicht, dass nur noch die Vergemeinschaftung von Gewährleistungen die Eurozone retten kann. Dies ist eine risikoreiche Strategie.

Ich habe in meiner langen Zeit als Abgeordnete selten Entscheidungen treffen müssen, die so weit in die Zukunft hineinreichen wie die zur Stützung der europäischen Währung. Ich habe selten die sachlichen Argumente, die sowohl  von den Befürwortern des Euro-Stützungskurses kommen als auch von den Gegnern einer solchen Strategie für so bedenkenswert und respektabel gehalten.  Und selten habe ich so wenig Gewissheit über die Richtigkeit der Entscheidung in der Sache gehabt wie in den vergangenen Monaten.
 
Die Klärungen, die auch auf Betreiben der grünen Fraktion das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat, haben zumindest einen rechtlich eindeutigen Rahmen hergestellt.
 
Dennoch bleibt der Zwiespalt: Was wird teurer? Die Auflösung der Eurozone und die Rückkehr einzelner Länder zu ihrer alten Währung oder der Versuch, mit allen Mitteln die Eurozone zu erhalten? Was wäre der politische Preis für die Auflösung der Eurozone? Wohin würde das politisch fragile Griechenland treiben, was wäre mit einem möglichen Dominoeffekt für Portugal, Spanien und Italien? Wäre die Rückkehr zu nationalstaatlichen Währungen das Ende des politischen Europa, das eine Antwort auf die Schrecken des 20. Jahrhunderts war?
 
Keine der beiden zur Debatte stehenden Strategien wäre ohne Kosten für Deutschland. Für mich überwiegen bisher die Argumente, die den Versuch stützen, das Währungseuropa zusammenzuhalten und an seiner institutionellen Regulierung zu arbeiten.
 
Eine 100prozentige Gewissheit, dass das der beste Weg ist, kann ich nicht bieten. Dennoch muss Politik, müssen Politikerinnen und Politiker trotzdem entscheiden – auch auf das Risiko hin, nicht die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dafür muss letztlich auch politisch Verantwortung übernommen werden, dafür haben wir ein Mandat von Bürgerinnen und Bürgern bekommen.
 
Schöne Grüße aus Berlin
Marie.

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