Zur Vorstellung der Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission erklären Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik, und Manuel Sarrazin, Sprecher für Europapolitik:
Die Europäische Kommission sendet in ihrem Fortschrittsbericht das richtige Signal an die Türkei. Sie kritisiert zu Recht den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen die Demonstranten im Gezi-Park und macht zugleich mit der Entscheidung, die Beitrittsverhandlungen zu intensivieren, einen Schritt in die richtige Richtung. Die aktuellen Reformbemühungen der Türkei zeigen, dass der Beitrittsprozess den wirksamsten Rahmen für die Umsetzung EU-bezogener Reformen und damit einer demokratisch-rechtsstaatlichen Entwicklung darstellt. Probleme bei den Grundrechten und der Justiz können nur dann glaubwürdig verhandelt werden, wenn die Beitrittskapitel 23 und 24 zeitnah eröffnet werden. Frau Merkel muss ihren Vorbehalt gegen einen Beitritt der Türkei endlich ablegen und die Verhandlungen ernsthaft weiterführen.
Im Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo ist im vergangenen Jahr viel erreicht worden. Das im April zwischen beiden Seiten geschlossene Abkommen birgt die historische Chance für eine dauerhafte Beilegung des Konflikts. Anlass zur Sorge gibt die weiterhin zögerliche Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen. Ein Meilenstein werden hierbei die Kommunalwahlen im Kosovo am 3. November 2013 sein. Die kürzlich geschehene Ermordung eines EULEX-Beamten in Nordkosovo zeigt in dramatischer Weise, dass die umgehende Entwaffnung von Paramilitärs unabdingbar für den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit in Nordkosovo ist. Weiterhin ist dafür Sorge zu tragen, dem zu bildenden Verband mehrheitlich serbischer Gemeinden im Kosovo mit seinen weitreichenden Autonomierechten keine Obstruktionspotential für die europäische Perspektive des Landes an die Hand zu geben.
Große Sorge bereitet der jahrelange Stillstand in Bosnien und Herzegowina. Wir brauchen endlich eine europäische Verfassungsinitiative für Bosnien und Herzegowina, die mit dem nötigen politischen Gewicht und Engagement vorangetrieben wird. Die politischen Kräfte des Landes verweigern sich weiterhin dem Rechtspruch des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zur Notwendigkeit einer Verfassungsreform. In unverantwortlicher Weise nehmen sie nun sogar die Kürzung der EU-Unterstützungsgelder in Kauf und blockieren weiter das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU. Europa trägt als Mitverfasser Verantwortung für die undemokratische und diskriminierende Dayton-Verfassung und damit auch für deren Überwindung.
Die Wahlen in Albanien waren ein demokratischer Fortschritt und machten einen friedlichen Machtwechsel in Tirana möglich. Ernsthafte Schritte zur Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft bleiben jedoch notwendig. Wir begrüßen die Empfehlung der Kommission zur Verleihung des Kandidatenstatus für Albanien.
Wir begrüßen zudem die Bemühungen, endlich rasch zu einem Verhandlungsbeginn mit Mazedonien zu kommen, erwarten aber, dass dabei eine baldige Beilegung des sogenannten Namensstreits mit Griechenland sichergestellt ist.