Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Keine doppelten Standards: Visafreiheit für alle in Südosteuropa

Zum Stand der EU-Beziehungen zu den Ländern des westlichen Balkan erklärt Marieluise Beck:

Mit der Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit Serbien hat die EU eine prekäre Strategie fortgesetzt. Beim Versuch, die Länder des westlichen Balkan an europäische Standards und Werte heranzuführen, drohen diese Werte und Standards zu erodieren. Denn das Aufgeben oder Relativieren von Bedingungen signalisiert immer auch, sie nicht für ausreichend wichtig zu erachten. Der richtige Kompromiss in letzter Stunde kann nicht die unwürdige Debatte in der EU zuvor vergessen machen.

Das Bemühen um Annäherung an die EU ist richtig und notwendig. Der westliche Balkan ist untrennbarer Teil Europas. Die wechselseitigen Abhängigkeiten der Länder in der Region erfordern, sie alle zugleich im Blick zu haben. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Serbien, das die Kriege der 90er Jahre hervorgerufen hat und dessen Regierung die Annäherung an die EU jetzt hinterher getragen wird, ist nicht gleichzusetzen mit Bosnien-Herzegowina. Dort gab es die größten Zerstörungen, die meisten Opfer, die schlimmsten Verbrechen. Die EU muss ihre eigenen Werte zum Maßstab machen, um attraktiv zu bleiben und um ernst genommen zu werden. Und sie darf nicht in den Geruch kommen, doppelte Standards anzulegen.

Dies gilt nicht zuletzt für die Ermöglichung von Reisen in den Schengen-Raum. Die in diesem Jahr in Kraft getretenen Visaerleichterungen für alle Länder sind ein richtiger Schritt. Aber er genügt nicht. Es geht um Visafreiheit, um allen interessierten Menschen die Möglichkeit zur Erweiterung ihres Horizonts zu geben. Die hierfür notwendigen Verhandlungen haben mit Serbien schon vor Monaten begonnen. Ausgerechnet Bosnien-Herzegowina aber droht hier ins Hintertreffen zu geraten. Das ist nicht akzeptabel. Denn dieses Land hat den längsten Weg in die EU zurückzulegen und braucht die meiste Unterstützung. Möglichen vorhandenen Hindernissen muss die EU mit entsprechend verstärktem Engagement in Bosnien-Herzegowina begegnen.

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