Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

"Missverständnisse" zu Tschernobyl-Kindern ausgeräumt?

In der Fragestunde am 17. Juni 2009 behauptete dies die Bundesregierung auf Nachfrage von Marieluise Beck. Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser, berichtete, dass nun Einigkeit mit Belarus über die Definition von Minderjährigen gefunden werden konnte. So könnten auch wieder Jugendliche bis 17 Jahre an den Gruppenreisen zur Erholung nach Deutschland teilnehmen. Lesen Sie hier den betreffenden Ausschnitt aus den Debattenprotokoll mit den detailierten Ausführungen des Staatsministers.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Für die Beantwortung der Fragen steht der Staatsminister Günter Gloser zur Verfügung. Ich rufe die Frage 59 der Kollegin Marieluise Beck auf:

Wie weit sind (...) die Gespräche der Bundesregierung mit der belarussischen Regierung fortgeschritten, um Missverständnisse über die am 11. Februar 2009 mit Belarus getroffene Vereinbarung über die Erholungsreisen der sogenannten Tschernobyl-Kinder auszuräumen, und ab wann ist mit einem reibungslosen Ablauf der Erholungsreisen auch für die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren im Rahmen von Gruppenreisen zu rechnen?

Herr Staatsminister, bitte sehr.

Günter Gloser, Staatsminister für Europa:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin Beck, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Aufgrund der nachhaltigen Bemühungen des Auswärtigen Amtes ist es in Verhandlungen mit der belarussischen Seite gelungen, die noch verbliebenen Missverständnisse in unserem Sinne zu überwinden. Die Verhandlungen über einen Verbalnotenaustausch hierzu stehen kurz vor dem Abschluss.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte sehr.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Staatsminister, das würde ich gerne etwas konkreter wissen, zumal sich die Europäische Union entschieden hat, Herrn Lukaschenko wieder ein Stück weit in die Familie der europäischen Staaten aufzunehmen. Das war allerdings an Konditionen gebunden, nämlich an Dialogbereitschaft und eine Öffnung auch nach innen. Ich frage Sie: Bedeutet dies, dass das Dekret 555, das Reisen von 14- bis 17-Jährigen untersagt bzw. ihre Zahl auf drei Reisen in das gleiche ausländische Land beschränkt, vom Tisch ist und dass der Austausch mit den sogenannten Tschernobyl-Kindern, wie bisher üblich, wieder möglich ist, dass also auch wieder Gruppenreisen stattfinden können und Visa nicht mehr als Einzelvisa vergeben werden müssen?

Günter Gloser, Staatsminister für Europa:

Frau Kollegin Beck, als wir die Vereinbarung getroffen haben, sind, wie ich denke, beide Seiten davon ausgegangen, dass klar ist, was unter dem Begriff „Minderjährige“ zu verstehen ist. Sowohl bei uns als auch auf belarussischer Seite ging es um Jugendliche von 7 bis 18 Jahren. Im Nachgang war allerdings eine andere Praxis festzustellen. Aufgrund vieler Interventionen haben wir die Gespräche wieder aufgenommen. Jetzt steht für beide Seiten fest – wir werden uns auch über diese Präzisierung austauschen –: Es geht um Jugendliche von 7 bis 18 Jahren. Hinzu kommt – diesen Aspekt haben Sie in Ihrer Frage aufgegriffen –, dass die Beschränkung der Zahl der Reisen gestrichen wird. Dadurch wollen wir auch denjenigen, die sich auf diesem Feld engagieren, deutlich machen: Jetzt ist der Austausch tatsächlich möglich. Zu Ihrer Frage. Natürlich muss der Erlass 555 verändert werden. Um eine zeitliche Verzögerung zu vermeiden, haben beide Seiten vereinbart, dass die Präzisierung, von der ich gerade sprach, bereits vorläufig Anwendung findet. Sie können davon ausgehen, dass die Präzisierung, die wir vorgenommen haben, schon innerhalb der nächsten 14 Tage in die Praxis umgesetzt und angewandt wird.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Bitte.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist eine gute Nachricht, Herr Staatsminister. – Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang noch etwas fragen: Inwiefern geht das Auswärtige Amt davon aus, dass die Einladung zur Östlichen Partnerschaft tatsächlich an die Konditionen, die die Europäische Union gesetzt hat, gebunden bleibt, vor allen Dingen im Hinblick auf die Dialogbereitschaft und die Forderung, dass es keine politischen Gefangenen mehr geben darf? Wie Amnesty International mit Datum vom 15. Mai dieses Jahres festgestellt hat, ist aufgrund der Festsetzung von elf Personen davon auszugehen, dass es in Belarus doch wieder politische Gefangene gibt. Damit wäre der Östlichen Partnerschaft eigentlich die Geschäftsgrundlage entzogen.

Günter Gloser, Staatsminister für Europa:

Frau Kollegin Beck, ich bin gern bereit, an anderer Stelle über die Entwicklung der Östlichen Partnerschaft, auch konkret mit Blick auf Belarus, zu diskutieren. Jetzt geht es aber um die Frage: Wie können wir die Missverständnisse, zu denen es nicht bei uns, sondern auf der anderen Seite gekommen ist, ausräumen, um es den sogenannten Tschernobyl-Kindern möglich zu machen, dass sie zu uns kommen? Ich glaube, diese Frage habe ich ausführlich beantwortet.

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