Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Antwort der Bundesregierung zur weiterhin ausstehenden Ergreifung Mladics

Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic am 16. November 2009 erklärte die Bundeskanzlerin, man wolle innerhalb der EU sich für die noch ausstehende Umsetzung des mit Serbien geschlossenen Interimsabkommens einsetzen und auf andere Mitgliedsstaaten einwirken, die die Umsetzung derzeit ablehnen. Diese Äußerung ist bemerkenswert, weil die EU die Umsetzung des Interimsabkommens bislang von einer vollständigen Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien abhängig macht. Vor allem die Niederlande fordern die Ergreifung und Auslieferung des Hauptbeschuldigten für das Massaker von Srebrenica, Ratko Mladic, der sich vermutlich in Serbien aufhält. Erst danach wolle man das Interimsabkommen umsetzen. Marieluise Beck fragte deshalb die Bundesregierung, ob sie zugunsten einer Annäherung Serbiens an die EU auf die Ergreifung Mladics als Vorbedingung verzichten wolle.

Das Interimsabkommen ermöglicht die Umsetzung vieler Bestandteile des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der EU bereits vor Abschluss des mehrere Monate dauernden Ratifizierungsprozesses. Das Interimsabkommen und das SAA sind wichtige Schritte vor möglichen EU-Beitrittsverhandlungen.

Lesen Sie hier die schriftliche Frage von Marieluise Beck und die Antwort der Bundesregierung:

Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Äußerung der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic am 16. November 2009, wonach „nach deutscher Sicht […] das Interimsabkommen in Kraft treten“ könne und um dies zu erreichen, „Deutschland auch weiter Gespräche mit den europäischen Ländern führen [werde], die hierfür noch nicht die Voraussetzungen sehen…“, dahingehend zu interpretieren, dass die Bundesregierung die vom Rat der Europäischen Union in seiner Schlussfolgerung vom 28. April 2008 als Voraussetzung für die Umsetzung des Interimsabkommens genannte uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien für erfüllt und somit die Auslieferung des immer noch flüchtigen Hauptbeschuldigten für das Massaker von Srebrenica, General a.D. Ratko Mladic, als Vorbedingung für die Umsetzung des Interimsabkommens mit Serbien für vernachlässigbar hält?

Antwort des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. Werner Hoyer:

Seit der Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic und dessen Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) durch die serbischen Behörden im Juli 2008 unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Ratsvorsitzenden und der Europäischen Kommission, das im April 2008 unterzeichnete Interimsabkommen zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit Serbien in Kraft zusetzen. Diese Ansicht wird von der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten geteilt. Voraussetzung für die Umsetzung des Interimsabkommens ist allerdings ein einstimmiger Ratsbeschluss, der bislang aussteht.

Unabhängig davon bleibt die Verpflichtung Serbiens, die vollständige Zusammenarbeit mit dem IStGHJ herzustellen. Die Einschätzungen des IStGHJ-Chefanklägers Serge Brammertz über die in letzter Zeit wesentlich verbesserte Zusammenarbeit Serbiens mit dem Gerichtshof geben Anlass zur Erwartung, dass Serbien die noch ausstehenden Schritte unternimmt und auch die letzten beiden noch flüchtigen Angeklagten, Ratko Mladic und Goran Hadzic, gefasst werden.

Unberührt von einem eventuellen Ratsbeschluss zur Umsetzung des Interimsabkommens bleibt, dass nach den Schlussfolgerungen des Rats der Europäischen Union vom April 2008 das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) erst dann den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung vorgelegt wird, wenn der Rat entschieden hat, dass Serbien uneigeschränkt mit dem IStGHJ zusammenarbeitet. Das SAA kann erst dann völkerrechtlich in Kraft treten, wenn es von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert wurde.

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