Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

grün:journal - Mit Grün aus der Krise

Im aktuellen grün:journal der Grünen Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft schreibt Marieluise Beck über die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise als Zäsur, die auch eine ökoligische Krise markiert und nach neuen grünen Antworten ruft. Lesen Sie hier den Beitrag von Marielusie Beck über die Krise als Chance für eine grüne industrielle Revolution:

Mit Grün aus der Krise

Es gibt solche Krisen und solche. Manche gehen vorbei wie ein kurzes Fieber, ohne tiefe Spuren zu hinterlassen. Andere markieren eine Zeitenwende, nach der nichts mehr ist wie zuvor. Mit einer solchen Zäsur haben wir es gegenwärtig zu tun. Die Spekulationsblase des  Turbokapitalismus ist geplatzt und hat die größte Wirtschaftskrise seit den 30-er Jahren ausgelöst. Doch nicht nur die Geld- und Warenkreisläufe sind gestört, auch das Ökosystem ist aus den Fugen geraten.

Unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind gefährdet. Schwindende Ölvorräte, Überfischung der Meere, Wasserknappheit und Verlust von Ackerland sind eindeutige Alarmzeichen. Der Klimawandel zeigt am deutlichsten, dass unser Wirtschaftsmodell an seine Grenzen stößt.

Doch die Doppelkrise eröffnet auch eine Chance. Die Einsicht greift um sich, dass es eines grundlegenden Strukturwandels bedarf. Wir werden die Krise von Wirtschaft und Umwelt nur bewältigen, wenn wir jetzt den Treibsatz für eine grüne industrielle Revolution zünden. Die Unsummen, die weltweit für die Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben werden, sind fehlinvestiert, wenn damit nicht die Weichen für eine CO-2-neutrale Wirtschaft gestellt werden. Es geht um den Übergang von Öl, Kohle und Atom zu Sonne, Wind und Biomasse; von fossilen zu nachwachsenden Rohstoffen; von Ressourcenverschwendung  zu Ressourceneffizienz; vom Missbrauch der Biosphäre als Abfalldeponie zur ökologischen Kreislaufwirtschaft.

Das ist die Herausforderung, vor der unsere Generation jetzt steht. Es ist eine Aufgabe, die alle Anstrengungen wert ist – eine breites Feld für den Erfindungsgeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, für weitsichtige Managerinnen und Manager, für Gewerkschaften und Bürgerinitiativen, Produzierende und Konsumierende – kurz: für uns alle.

Heute stehen sich zwei Denkschulen gegenüber: die eine will Investitionen in Klimaschutz wegen der Wirtschaftskrise zurückstellen. Die andere, zu der wir uns zählen, sieht gerade im Übergang zu erneuerbaren Energien und ressourceneffizienten Technologien den Ausweg aus der ökonomischen Krise: grüne Innovation statt Depression! Wir müssen den Umbau von Schlüsselbranchen angehen, die durch besonders hohe CO2-Emissionen gekennzeichnet sind. Dazu gehört auch die Autoindustrie. Die als „Umweltprämie“ getarnte Abwrackprämie für Altautos ist populistischer Nonsens. Sie befestigt die bestehende, nicht zukunfts­fähige Produktpalette: 5 Milliarden für den Status quo statt für das Elektromobil von morgen.

Gleichzeitig geht es um eine Erneuerung der öffentlichen Infrastruktur: Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein europäisches Verbundnetz für erneuerbare Energien, die zügige Sanierung des Altbaubestands (allein 40% der CO-2-Emissionen entstehen im Gebäudesektor). Gerade hier kann eine ökologische Wende auch massenhaft sinnvolle Beschäftigung schaffen. Bereits heute verzeichnet die Erneuerbare-Energien-Branche rund 270.000 Arbeitsplätze, Tendenz steigend. Am Ausgangspunkt dieser  Erfolgsgeschichte stand das Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung: Grün macht den Unterschied.

Ein solcher Strukturwandel kann nicht allein im nationalen Rahmen gelingen. In einer globalisierten Welt sind nicht nur die Krisen global,  auch die Lösungen müssen global sein. Gerade die wohlhabenden und technologisch hoch entwickelten Staaten müssen den Weg für eine grüne Wende im globalen Maßstab ebnen. Wenn wir die aufsteigenden Industriemächte wie China davon überzeugen wollen, einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschlagen, müssen wir vormachen, dass nachhaltiges Wirtschaften und Wohlstand Hand in Hand gehen. 

Für diese Einsichten haben die Grünen 30 Jahre lang gestritten. Jetzt erleben wir die Verbreitung grüner Ideen bis hinein in die Wirtschaft. Wenn etwa die „Financial Times“ bei der Europawahl ihrer Leserschaft empfahl, es mit den Grünen zu versuchen, dann ist das noch nicht der Durchbruch. Aber es zeigt, dass auch bei früheren Gegnerinnen und Gegnern die Einsicht wächst, dass „grün“ den Ausweg aus der Krise zeigt.

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