Anlässlich des Treffens des ukrainischen Präsidenten Poroschenko mit EU-Vertretern im Vorfeld des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel erklären Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik, und Manuel Sarrazin, Sprecher für Europapolitik:
Offenbar hat Russland sich entschlossen, von einem verdeckten in einen offenen Krieg gegen die Ukraine überzugehen. Damit entpuppt sich die Hoffnung auf ein Einlenken Russlands als Illusion. Schon lange gibt es ernstzunehmende Anzeichen, dass der Kreml Verhandlungsbereitschaft vortäuscht, derweil aber militärisch Schritt vor Schritt gesetzt hat.
Vor einer Woche sprach Steinmeier von Fortschritten in den Gesprächen mit der Ukraine und Russland. Seitdem ist der Strom von Waffen, Soldaten und Panzern von Russland in die Ukraine nicht einen Tag abgerissen. Die Soldatenmütter aus Stawropol gaben bekannt, dass ihnen die Liste von 400 russischen Soldaten vorliegt, die unter „ungeklärten Umständen“ getötet bzw. verwundet worden sind. Diese sollen u.a. von den Motor-Gardebrigaden: der 19. (Wladikawkas, Nord-Osetien), der 17. (Schali, Tschetschenien) sowie der 8. (Schatoi, Tschetschenien) stammen. Die Vorsitzende des russischen Dachverbandes der Soldatenmütter schätzt die Zahl der russischen Soldaten, die sich bereits auf dem ukrainischen Territorium befinden, auf ca. 15.000.
Schwer bewaffnete Einheiten der regulären russischen Armee mit dutzenden Panzern, Schützenpanzern Raketenwerfern, Kanonen, Haubitzen sind nach Medienberichten und Berichten von internationalen Journalisten vor Ort am Montag über die russisch-ukrainische Bodengrenze im Süden in die Ukraine einmarschiert. Russisches Militär und Separatisten kontrollieren anscheinend nun mehr das Territorium bis Novoasowsk. Das Ziel der russischen Offensive ist offensichtlich die Stadt Mariupol. Damit verdichtet sich die Vermutung, dass der Kreml eine Landbrücke zur Krim schaffen will.
Angesichts dieser dramatischen Zuspitzung darf die EU das ständige Verwirrspiel zwischen scheinbarer Verhandlungsbereitschaft bei gleichzeitiger kontinuierlicher Fortsetzung verdeckter und offener militärischer Aggression nicht unbeantwortet lassen. Die Bundesregierung und die EU müssen sich auf eine klare Botschaft an den Kreml einigen. Der Kreml muss spüren, dass diese weitere Aggression gegenüber der Ukraine einen hohen Preis hat und auch Russland schadet. Deswegen müssen umfassendere Sanktionen neben den Dialog gestellt werden, um Russland zum Einlenken zu bewegen.