Die Bundesregierung kann keine nachvollziehbare Auskunft zur Vergabe kostenloser Visa in europäischen Nachbarländern machen und kommt damit ihrer Informationspflicht gegenüber dem Parlament nicht in genügender Weise nach. Der Bundestag hatte am 14. Februar 2008 die Bundesregierung in einem Antrag zur besonders großzügigen Vergabe kostenloser Visa an junge Menschen, Kulturschaffende, Menschenrechtler und Kirchenorganisationen in Belarus aufgefordert. Eine Überprüfung der Umsetzung des Beschlusses ist auf Basis der vorliegenden Informationspraxis der Bundesregierung schlicht nicht möglich.
Anlass der schriftlichen Fragen von Marieluise Beck war eine Beratung des Auswärtigen Ausschusses am 1. Juli 2009 zur äußerst restriktiven Visavergabepraxis der deutschen Auslandsvertretungen, die unseren Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz und unseren Interessen nach Öffnung und Austausch der Gesellschaften unserer Europäischen Nachbarstaaten zuwider läuft.
Auszug aus der Bundestagsdrucksache 16/13498 :
Fragen der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie viele Schengen-Visa erteilte die Bundesregierung jährlich von Anfang 2005 bis Ende 2008 in den Ländern Belarus, Bosnien und Herzegowina und Serbien, und wie viele davon wurden kostenfrei vergeben?
Wie viele Anträge für Schengen-Visa wurden jährlich von Anfang 2005 bis Ende 2008 an deutsche Visastellen in Belarus, Bosnien und Herzegowina und Serbien gerichtet?
Antwort des Staatssekretärs Dr. Peter Ammon vom 11. Juni 2009:
Die Zahl der in Serbien, Belarus sowie Bosnien und Herzegowina in den Jahren 2005 bis 2008 jeweils erteilten Schengen-Visa ergibt sich aus nachfolgender Tabelle:
Auslands vertretung |
Erteilte Schengen- Visa 2005 |
Erteilte Schengen- Visa 2006 |
Erteilte Schengen- Visa 2007 |
Erteilte Schengen- Visa 2008 |
---|---|---|---|---|
Belarus (Botschaft Minsk) |
78 932 | 80 042 | 84 155 | 84 319 |
Bosnien und Herzegowina (Botschaft Sarajewo) |
33 818 | 30 367 | 30 623 | 28 179 |
Serbien (Botschaft Belgrad) |
49 901 | 56 697 | 61 329 | 55 545 |
Die Deutsche Botschaft Belgrad ist auch zuständig für in Montenegro ansässige Visumantragsteller.
Das Auswärtige Amt gibt in Visumangelegenheiten keine Ablehnungsquoten und keine Daten bekannt, aus denen sich die Ablehnungsquote errechnen lässt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/5546, dort Antwort auf Frage 1).
Eine gesonderte statistische Erfassung kostenfrei erteilter Visa findet nicht statt. Nach Schätzungen der jeweiligen Botschaft betrug der Anteil im Jahr 2008 kostenfrei erteilter Schengen-Visa:
– an der Botschaft Belgrad: ca. 40 Prozent,
– an der Botschaft Minsk: ca. 40 Prozent,
– an der Botschaft Sarajewo: 30 Prozent.
Der Anteil der von den Botschaften Sarajewo und Belgrad vor Inkrafttreten der jeweiligen Visumerleichterungsabkommen – also vor dem 1. Januar 2008 – kostenfrei erteilten Schengen-Visa war deutlich geringer.