Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Menschenrechte in Russland - Antrag zum 10. Jahrestag von Anna Politkowskaja

Wenn in diesen Tagen von Russland die Rede ist, geht es meistens um den Krieg in Syrien oder der Ukraine. Die innere Entwicklung Russlands gerät aus dem Blickwinkel. Dabei hat sie enorme Bedeutung für das Verhalten der russischen Regierung nach außen. Mit unserem aktuellen Antrag sorgen wir dafür, dass sich der Bundestag mit den politischen und menschenrechtlichen Entwicklungen in Russland auseinandersetzt. Für uns ist dabei klar, dass gerade jetzt nach Wegen gesucht werden muss, den Austausch mit denjenigen zu intensivieren, die sich für ein offenes, demokratisches und friedvolles Russland einsetzen.

KAUM NOCH RAUM FÜR REGIERUNGSKRITIK

Die kaltblütige Ermordung der Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, Anna Politkowskaja, jährt sich am 7. Oktober zum zehnten Mal. Seitdem ist das politische Klima für Oppositionelle und MenschenrechtsverteidigerInnen in Russland immer rauer geworden. Die russische Zivilgesellschaft ist, insbesondere seit der Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt, massiven Repressionen ausgesetzt. Mit dem sogenannten Agentengesetz wurden bereits mehr als 130 russische Organisationen zu „ausländischen Agenten“ erklärt. Betroffen sind vor allem Menschenrechts- und Umweltinitiativen, Friedensprojekte – aber auch WahlbeobachterInnen, MeinungsforscherInnen und soziale Organisationen. Sie alle werden als „von außen gesteuert“ verleumdet und von den Behörden rigoros mit Kontrollen überzogen. Für viele Organisationen bedeutet dies bereits das faktische oder tatsächliche Ende ihrer Arbeit.

Systematisch werden in Russland demokratische Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zurückgedrängt und Widerspruch aus dem öffentlichen Raum verbannt. Das Versammlungsrecht wurde wieder und wieder verschärft, so dass die Bürgerinnen und Bürger mit empfindlichen Strafen rechnen müssen, wenn sie sich trotz der ständigen Demonstrationsverbote auf die Straße trauen. Galt das Internet bislang noch als vergleichsweise frei, so wurde nun eine umfassende Vorratsdatenspeicherung eingeführt, die Telefonate, E-Mails, Chats sowie Kommunikations- und Verbindungsdaten beinhaltet. Bereits jetzt gibt es Fälle strafrechtlicher Verfolgung von JournalistInnen und BloggerInnen, die sich regierungskritisch im Netz geäußert haben.

Indem der Kreml oppositionelle Stimmen unterdrückt, die Welt um Russland herum als chaotisch und feindlich präsentiert und Putin sich als Verteidiger Russlands inszeniert, soll von innenpolitischen Missständen abgelenkt werden. Die Folgen von Reformverweigerung, wirtschaftlichem Niedergang und massiver Korruption werden für die Bürgerinnen und Bürger aber immer spürbarer. Sie sehen jedoch keine Möglichkeiten, die Kreml-Politik zu beeinflussen. Dies zeigten auch die Duma-Wahlen am 18. September: In Moskau nahmen nur 35 Prozent, in St. Petersburg lediglich 32 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teil. Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei weniger als 50 Prozent.

RUSSLAND IST MEHR ALS DER KREML

Unser Antrag soll klar machen: Wir fühlen uns den Menschen in Russland freundschaftlich verbunden. Wir sind besonders denen nahe, die entgegen immer härterem staatlichem Druck dennoch für Fortschritt und eine offene Gesellschaft kämpfen. Unsere Kritik am Kreml und an Putin ist keine Kritik an Russland und seiner Bevölkerung. Vielmehr müssen wir die Begegnung mit ihr intensivieren, auch weil Abschottung letztendlich nur Putins autokratischem System in die Hände spielt. Die alte Forderung, den Austausch zwischen Russland und der EU zu erleichtern und Visaregeln zu lockern, ist für uns daher aktueller denn je.

Sehen Sie hier die Rede von Marieluise Beck in der Debatte zum Antrag.

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