Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Antworten der Bundesregierung zur Lage der Menschenrechte in Belarus

Nach der vorzeitigen Entlassung politischer Gefangener im August 2008 entschied die Europäische Union, auch Belarus als eines von sechs Ländern in die Östliche Partnerschaft einzuladen. Verbunden war diese Einladung mit der Hoffnung, durch Einbindung des autoritär regierten Landes eine schrittweise Demokratisierung vorantreiben zu können. In der Folge unterschrieb auch Belarus am 7. Mai 2009 auf dem Prager Gipfel die Gemeinsame Erklärung zur Östlichen Partnerschaft und bekannte sich hierbei "zu den Grundwerten, einschließlich Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte [...]."

Bereits im Vorfeld der des Prager Gipfels kam Belarus nur durch vereinzelte, jedoch nicht substanzielle Schritte den Forderungen der EU zur Demokratisierung nach. So wurden u.a. zwei kritische Zeitungen für den Vertrieb wieder zugelassen und die Organisationen des Oppositionellen Milinkewitsch registriert. Nach dem Prager Gipfel sind jedoch bis auf eine Wahlgesetzreform, die kaum Verbesserungen brachte, keine der erhofften Reformen angegangen worden. Statt dessen kommt es immer wieder zu Vorfällen, die deutlich im Widerspruch zum Geist der Prager Erklärung stehen. Marieluise Beck fragte deshalb die Bundesregierung, wie sie diese Vorkommnisse und ihre Vereinbarkeit mit dem Geist der Östlichen Partnerschaft bewertet.

Die Aufteilung in zwei Fragen ist den Formvorschriften der Geschäftsordnung geschuldet, die u.a. die zulässige Länge Schriftlicher Fragen auf maximal 13 Zeilen beschränkt.

Schriftliche Fragen von Marieluise Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die jüngsten Ereignisse in Belarus wie 1) die Relegierung der Jugendaktivistin Tazjana Schapuzka von der Belarussischen Staatsuniversität im Dezember 2009 nach ihre Teilnahme am Zivilgesellschaftsforum der Östlichen Partnerschaft der EU, 2) die Verurteilung Sjarhei Kawalenkas am 10. Januar 2010 zu zwei Monaten Haft wegen der Anbringung der ehemaligen belarussischen Flagge an einem Weihnachtsbaum in Witjebsk, 3) der Beschluss eines Präsidentenerlasses zur Ausweitung der Internetzensur am 1. Februar 2010, 4) die Verurteilung Iwan Michailaus zu dreimonatiger Haft wegen Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen am 1. Februar 2010 und 5) das gewaltsame Vorgehen gegen und Verhaftung von Demonstrationsteilnehmern und von Journalisten am 16. Februar 2010 in Minsk im Widerspruch zum Geist der von Belarus am 7. Mai 2009 auf dem Prager Gipfel unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung zur Östlichen Partnerschaft stehen und falls ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die jüngsten Ereignisse in Belarus wie 6) die Durchsuchung der Redaktionsräume der unabhängigen Zeitschrift „Narodnaja Wolja“ am 17. Februar 2010, 7) die Beschlagnahmungen von Laptops und Computern des Oppositionellen Andrej Sannikow, der Journalistin Irina Chalip, der Redakteurinnen der unabhängigen Zeitschrift „Narodnaja Wolja“, Swetlana Kalinkina und Maryna Koktysch, und der Herausgeberin der unabhängigen Online-Zeitschrift „charter97.org“, Natalja Radzina, zwischen dem 5. und 16. März 2010 und 8) die Verhaftung von 13 Demonstranten gegen den Prozess gegen Kleinunternehmer aus Waukawysk am 16. März 2010 im Widerspruch zum Geist der von Belarus am 7. Mai 2009 auf dem Prager Gipfel unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung zur Östlichen Partnerschaft stehen und falls ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper:

Die genannten Fälle sind der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung beobachtet die jüngsten Entwicklungen von Rechtsstaatlichkeit, bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechten in Belarus mit großer Sorge. Sie setzt sich sowohl bilateral als auch im EU-Rahmen gegenüber der belarussischen Seite intensiv und regelmäßig für eine Verbesserung der Menschenrechtslage und demokratischen Fortschritte in Belarus ein.

In der Gemeinsamenerklärung vom 7. Mai 2009 zu Gründung der Östlichen Partnerschaft haben die Teilnehmer des Prager Gipfeltreffens, unter ihnen der Erste Stellvertretende Premierminister der Republik Belarus, vereinbart, dass die Östliche Partnerschaft "auf dem Bekenntnis zu den Grundsätzen des Völkerrechts und den Grundwerten, einschließlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten beruhen wird." Die jüngsten, von Ihnen beschriebenen Vorfälle in Belarus stehen nach Ansicht der Bundesregierung im Widerspruch zu den Grundlagen der Östlichen Partnerschaft und zum Geist der Gemeinsamen Erklärung.

Die Bundesregierung ist überzeugt, dass die Europäischen Union gegenüber Belarus mit einer Stimme sprechen sollte. Dies gilt auch und gerade im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik und der Östlichen Partnerschaft. Aus Sicht der Bundesregierung muss regelmäßig überprüft werden, in welcher Form und Intensität die Beziehungen zwischen Europäischer Union und Belarus im Rahmen der Östlichen Partnerschaft weiter ausgestaltet werden sollten. Dabei müssen Widersprüche zum Geist der Östlichen Partnerschaft ebenso berücksichtigt werden wie längerfristige Ziele, die die Europäische Union anstrebt, insbesondere durch vielfältige Kontakte zwischen den Menschen in Belarus und in anderen Staaten Europas.

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