Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Moskaus Rückendeckung für Lukaschenkos Repressionen

Das derzeitige harte Durchgreifen des Diktators Lukaschenko gegen Regimekritiker markiert die schärfsten Menschenrechtsverletzungen in Belarus seit mehr als zehn Jahren. Der Präsident signalisiert damit, dass er die Wahrung des demokratischen Scheins gegenüber dem Westen nicht länger für nötig hält. Noch 2008 hatte er kosmetische Liberalisierungen für eine Öffnung zur EU veranlasst. Hintergrund waren die zunehmenden Konflikte mit dem einstigen Verbündeten Russland, der die subventionierten Energiepreise für Belarus schrittweise anhob und so ökonomischen Druck erzeugte. Russland wollte die strategischen Industrien in Belarus übernehmen und verlangte unter anderem die Anerkennung der abtrünnigen Provinzen Georgiens. Lukaschenko erwies sich als widerspenstig, weil er seine eigene Macht in Frage gestellt sah. Die Folge waren diverse Handelskriege um Öl, Gas, Milchprodukte, Konflikte über die Schnelle Eingreiftruppe der Organisation des Vertrages über Kollektive Sicherheit (OVKS), um die Zollunion mit Kasachstan und vieles mehr. Beim Besuch Putins in Belarus im Mai dieses Jahres düpierte Lukaschenko diesen durch Abwesenheit wegen einer Auslandsreise. Im Wahlkampf ging Russland zu scharfer Propaganda gegen Lukaschenko über. Diese konnte von russischen Sendern ausgestrahlt auch in Belarus empfangen werden. Lukaschenko antworteten mit entsprechender Gegenpropaganda. Schließlich signalisierten die Wahlbeobachter der GUS und Moskau, dass sie das Wahlergebnis als undemokratisch nicht anerkennen und so die Legitimierung Lukaschenkos in Frage stellenkönnten.

Wenige Tage vor der Wahl, am 8. und 9. Dezember, reiste Lukaschenko jedoch zu den Gipfeln der OVKS und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft nach Moskau. Beim Vieraugengespräch mit Präsident Medwedjew war von den gegenseitigen Attacken keine Rede mehr. Statt dessen übernahm Lukaschenko den Vorsitz der OVKS, deren Belebung er lange blockiert hatte. Zudem wurden 17 Dokumente zur Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit Kasachstan unterzeichnet, der ab 2012 weit über die wirtschaftliche Kooperation der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen soll. Vorgesehen sind makroökonomische Abstimmungen der Wechselkurse, Verschuldungsobergrenzen für die Staatshaushalte, einheitliche Steuer- und Zollsysteme. Laut Putin wird die einheitliche Einführung des Russischen Rubels angestrebt, was die Aufgabe eines Teils der nationalen Souveränität bedeutete. Lukaschenko versprach, die Dokumente notfalls durch eine Sondersitzung des Parlaments bis zum 1. Januar 2011 ratifizieren zu lassen. Nach den Wahlen erklärte  Medwedjew die Vorgänge in Minsk zur inneren Angelegenheit von Belarus. Es liegt also nahe, dass Moskau für die Erlangung stärkerer wirtschaftlicher Kontrolle über Belarus zur Stützung Lukaschenkos bereit ist.

Die Ereignisse seit Sonntag Abend machen deutlich, dass Lukaschenko sich entschlossen hat, wieder die Unterstützung Russlands zu suchen und auf das Angebot einer EU-Annäherung zu verzichten. Damit schlägt er neben der Kooperation im Rahmen der Östlichen Partnerschaft auch in Aussicht gestellte milliardenschwere Budgethilfen aus.

Eine effektive Unterstützung der unter massiven Druck geratenen Opposition und Zivilgesellschaft durch die EU gestaltet sich äußerst schwierig. Effektivstes Instrument der EU wäre die seit Jahren geforderte Visumserleichterung für die Menschen aus Belarus, damit der Diktator die Bevölkerung nicht einsperren kann. Die konkret von politischen Repressionen bis hin zu Haftstrafen bedrohten Menschen brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe durch Visa, Asyl und Stipendien. Vordringlichste Aufgabe aber ist, sich für eine menschenwürdige Behandlung und sofortige Entlassung der ca. 600 Verhafteten einzusetzen und langjährige Haftstrafen für die inhaftierten Oppositionskandidaten zu verhindern.

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