Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Die internationale Politik hat versagt

Die Abgeordnete Marieluise Beck wirbt im Weserkurier um Verständnis für Israel

Von Tina Groll BERLIN. Sie ist noch ganz aufgewühlt. "Warum diese erbitterten Kämpfe? Ich wollte das sehen", sagt Marieluise Beck (Grüne). Also ist die Bremer Bundestagsabgeordnete vergangene Woche - einen Tag vor Angela Merkel - nach Israel geflogen, nach Sderot an die Grenze zum Gaza-Streifen. Sie war auch in Tel Aviv, Jerusalem und in Ramallah, hat mit Professoren, Journalisten, Vertretern von Friedensinitiativen und der Flüchtlingshilfsorganisation UNRWA gesprochen. Seit gestern ist sie zurück - und möchte ihre Eindrücke weitergeben.

Die dreiwöchige Gaza-Offensive Israels soll einen Schaden von 1,5 Milliarden Euro verursacht haben, es sollen 22000 Gebäude beschädigt oder zerstört worden sein und 80 Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche. Die Bilder der leidenden Zivilisten im Gaza-Streifen gehen um die Welt. "Ich bin mit der Frage konfrontiert worden, was wir einer Bevölkerung sagen, deren Bedrängnis immer größer wird, ohne dass etwas geschieht", sagt die grüne Politikerin.

Marieluise Beck meint die Israelis. Natürlich, räumt sie ein, über die politischen Fehler des Landes müsse auch gesprochen werden. Seit den frühen 80er Jahren ist die Politikerin regelmäßig in Israel, immer wieder beschäftigt sie sich mit dem Konflikt im Gaza-Streifen. Während ihres Besuches in Ramallah habe sie gehört, dass Israel die palästinensische Zivilbevölkerung lange nicht so schützen würde, wie das Land es deklariere. Aber der Krieg habe eben zwei Seiten, und die der leidenden Zivilbevölkerung in Israel würde kaum gehört. In Sderot, erzählt sie, habe sie das Sapir College besucht. "Vor den Klassenräumen hängen schwere Eisenvorrichtungen - zum Schutz gegen die Raketen", erklärt die ehemalige Migrationsbeauftragte. In der ganzen Stadt seien notdürftig Schutzräume errichtet worden. Sie sollen vor den Kassam-Raketen schützen, die aus Wasserrohren und meist illegal im Gaza-Streifen gefertigt werden.

"Ich war überrascht, welche Zerstörung diese Raketen haben", erzählt Marieluise Beck. Sie zeigt ein Bild eines völlig zerbombten Hauses, in dem eine 87-jährige Israelin gelebt hat. "Das sieht aus wie in Bosnien. Jedes Haus in der Stadt ist an das Alarmsystem angeschlossen. Es gibt täglich 60 bis 80 Mal Alarm. Dann haben die Bewohner noch 15 Sekunden, sich in Sicherheit zu bringen", erläutert Beck. "Die Menschen dort leben in einer ständigen Anspannung und Ungewissheit." Hinzukäme, dass die Raketen eine immer größere Reichweite hätten. Die Hoffnungslosigkeit in Israel sei groß, gerade die Jüngeren würden sich die Frage nach einem zweiten Pass immer häufiger stellen.

"Die fragen sich, wie lange es einen Staat Israel noch geben wird", erläutert die Abgeordnete. Israel habe das Gefühl, im Konflikt allein gelassen zu werden. "Dieses Gefühl ist so dominant, dass man sagen kann, die internationale Politik hat versagt", meint Marieluise Beck. Dass aber Stippvisiten europäischer Politiker politischen Einfluss geltend machen können, glaubt Beck nicht. Da seien die USA gefragt, die immerhin den derzeitigen Waffenstillstand bewirkt haben.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Weserkurier Seite: 3 Datum: 20.01.2009

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