Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Antwort der Bundesregierung zu politisch motivierten Fahndungsersuchen

Immer wieder stellte Serbien gegen bosnische Staatsbürger, die ihr Land während des Bosnienkriegs gegen serbische Aggression verteidigten, internationale Haftbefehle wegen vorgeblicher Kriegsverbrechen aus. Daran wurde auch festgehalten, wenn die Betroffenen bereits im Vorfeld durch Gerichte wie das Haager Tribunal für unschuldig erklärt wurden.

Im Juli 2010 verweigerte ein britisches Gericht die Auslieferung des ehemaligen bonischen Politikers Ejub Ganic nach Serbien, weil es den Beschuldigten für unschuldig und das Auslieferungsersuchen für politisch motiviert hielt. Ein weiterer prominienter Fall ist der derzeit in Wien festgehaltene Jovan Divjak, der als oberster Befehlshaber über Jahre die bosnische Hauptstadt Sarajewo gegen die serbische Belagerung verteidigte. Bis heute ist auch der ehemalige Bürgermeister der bosnischen Stadt Tuzla, Selim Beslagic, in seinem Land quasi eingesperrt, weil auch er von Serbien auf internationale Fahndungslisten gesetzt wurde. Beslagic führt mit viel Courage seine Stadt bewußt als multhietnische Kommune durch den Krieg und wurde hierfür auch von radikalen Muslimen kritisiert.

Für Serbien ist die Anklage und internationale Ausschreibung bosnischer Staatsbürger wegen vorgeblicher Kriegsverbrechen Teil einer Strategie zur Relativierung der serbischen Aggression in den jugoslawischen Zerfallskriegen, die alle Beteiligten gleichermaßen als Opfer und Täter darzustellen sucht. Neben Geschichtsklitterung und Belastung der Aussöhnungsbemühungen in der Region betreibt Serbien mit diesem Vorgehen aber auch eine Aushöhlung internationaler Rechtsinstrumente. Marieluise Beck fragte deshalb die Bundesregierung:

Marieluise Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Was kann die Bundesregierung tun, um die Verhaftung des ehemaligen Bürgermeisters der bosnischen Stadt Tuzla, Selim Bešlagić, aufgrund eines internationalen Haftbefehls Serbiens bei dessen möglicher Einreise nach Deutschland zu verhindern, angesichts der Tatsache, dass Serbien wie auch in den Fällen Jovan Divjak und Ejub Ganic mehrfach solche Interpol-Haftbefehl wegen vorgeblicher Kriegsverbrechen aus politischen Motiven ausstellte, so wie dies von einem britischen Gericht im Juli 2010 bei der Ablehnung der Auslieferung Ganics nach Serbien festgestellt und von diesem deshalb als Missbrauch des Gerichts gewertet wurde und was unternimmt die Bundesregierung, um derartigen Missbrauch internationaler Rechtshilfeinstrumente und damit deren Aushöhlung zu verhindern?

Dr. Max Stadler , Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Justiz:

Die Fahndung in Deutschland nach einem Betroffenen aufgrund eines Haftbefehls eines ausländischen Staates ist eine bewilligungsbedürftige Rechtshilfeleistung. Über die Bewilligung entscheidet grundsätzlich das Bundesamt für Justiz im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt. Die Rechtshilfe und damit die Umsetzung des Fahndungsersuchens in Deutschland wird u. a. verweigert, wenn eine Auslieferung wegen der Gefahr einer politischen Verfolgun des Betroffenen nicht in Betracht kommt (§ 6 Absatz 1 des Geetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Artikel 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkoommens, § 15 Bundeskriminalgesetz).

Unabhängig davon prüft das Generalsekretariat der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (Interpol), ob eine begehrte Fahndung im Rahmen der Interpol-Zusammenarbeit aus politischen oder militärischen Gründen veranlasst werden soll. Nach Artikel 3 der Interpol-Statuten ist der Organisation eine Betätigung oder Mitwirkung in Angelegenheiten oder Fragen dieser Art untersagt. Entsprechende Fahndungsersuchen werden von Interpol daher für unzulässig erklärt.

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass mit der Prüfung eingehender Fahndungsersuchen auf der Grundlage der bestehenden Verweigerungsgründe der Missbrauch internationaler Rechtsinstrumente zu politischen Zwecken angemessen verhindert werden kann.

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