Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Trägerin des Sacharow-Preises zu Gast bei Marieluise Beck

Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe und Trägerin des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments, Ludmila Alexejewa, und die Mitarbeiterin des russischen Büros von Human Rights Watch, Tanja Lokschina, besuchten am 18. März Marieluise Beck.

Im Mittelpunkt des Gesprächs mit den russischen Menschenrechtlerinnen stand der Fall des früheren Chefs des Jukos-Konzerns Michail Chodorkowski. Er steht derzeit in Moskau mit seinem früheren Partner Platon Lebedew erneut vor Gericht, nachdem er in einem ersten Verfahren bereits zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden war.

Ludmila Alexejewa unterstrich den politischen Charakter der Verfolgung des kreml-kritischen Unternehmers. „Ich bin überzeugt, “ so Alexejewa, “dass Chodorkowski und Lebedew damals nicht gegen Gesetze verstoßen haben“. Anfang der 90er Jahre sei ihr Verhalten legal gewesen. Der Kreml habe Chodorkowski zum Ziel der Strafverfolgung gemacht, weil er sich als erster von vielfach praktizierten räuberischen Methoden bei der Privatisierung distanziert und transparente Verfahren in seinen Unternehmen eingeführt hatte.

Mehrmals unterstrichen die Gesprächspartnerinnen die symbolische Bedeutung des derzeitigen Strafprozesses für das russische Unternehmertum und die Zivilgesellschaft.

Die Zerschlagung des Ölkonzerns Jukos und die Verhaftung seines Chefs hätten am Anfang eines Umverteilungsprozesses gestanden, in dem der Kreml die staatliche Kontrolle über Großunternehmen in strategisch wichtigen Bereichen wie etwa dem Energiesektor zurück gewann. Angehörige von staatlichen Institutionen insbesondere aus dem Geheimdienstbereich, die davon nicht profitiert hätten, versuchten nun, an kleine und mittlere Unternehmen heranzukommen. Der Kreml habe für diese Umverteilung auf der Ebene mittelständischer Unternehmen grünes Licht gegeben. Ein Freispruch Chodorkowskis wäre ein deutliches Zeichen an das Unternehmertum, dass diese Eigentumsumverteilung nun zu Ende wäre.

Der Fall Chodorkowskis habe die Beziehungen zwischen Unternehmertum und Zivilgesellschaft nachhaltig beeinflusst. Nach der Verhaftung des Oligarchen, der oppositionelle politische Parteien und unabhängige Bürgerinitiativen gefördert hatte, hätten die Unternehmer keinen Mut, kreml-kritische Kräfte zu unterstützen. Letztere könnten nicht auf private russische Förderer zählen und seien auf Geld aus dem Ausland angewiesen. Dies werde ihnen dann zum Vorwurf gemacht.

„Nun kommt es auf eine enge internationale Beobachtung des Chodorkowski-Prozesses im Rahmen des Europarates, durch Bundestagsabgeordnete und Fachleute an,“ so die Hauptforderung von Ludmila Alexejewa an die deutsche Politik.

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