Marieluise Beck, MdB, grüne Sprecherin für Osteuropapolitik, und Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung, erklären aus Moskau:
Heute Morgen wurde die Urteilsverkündung im Verfahren gegen Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew überraschend auf den 27. Dezember verschoben. Man will damit entweder der öffentlichen Aufmerksamkeit für diesen Prozess den Wind aus den Segeln nehmen oder das Urteil steht noch nicht fest.
Dieser Aufschub gibt immerhin die Chance, auf das Urteil doch noch Einfluss zu nehmen. Bundesregierung und Europäische Kommission müssen jetzt laut und deutlich ihre Kritik an diesem Verfahren äußern. Auch der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft ist aufgerufen, sein opportunistisches Schweigen zu beenden.
Die Anklage gegen Chodorkowskij und Lebedew, sie hätten fast die komplette Ölproduktion ihres eigenen Konzerns gestohlen, wurde vor Gericht von drei ehemaligen Regierungsmitgliedern als abwegig bezeichnet. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation Wladimir Lukin sprach von einem „politischen Hintergrund“ des Verfahrens.
Wer sich unter Berufung auf die „Unabhängigkeit der Justiz“ der Stimme enthält, legitimiert damit ein Verfahren, das keinen rechtsstaatlichen Maßstäben standhält. Im ersten Urteil, mit dem Chodorkowskij und Lebedew für acht Jahre hinter Gitter geschickt wurden, demonstrierte der Kreml, wer die Macht in Russland hat. Jetzt geht es darum, ob dem von Präsident Medwedjew selbst kritisierten „Rechtsnihilismus“ endlich Einhalt geboten wird.