Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Visapolitik liberalisieren – Austausch ermöglichen

Die Frage nach dem Umgang mit autoritären Regimen, die die Menschenrechte verletzen und die eigene Bevölkerung unterdrücken, steht immer wieder auf der politischen Tagesordnung. Gleiches gilt für die richtige Reaktion auf sich wandelnde, im Aufbruch befindliche Gesellschaften. Was können wir tun, um freiheitlich denkende Menschen in der Welt zu unterstützen? Wie können wir zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für Demokratie und Partizipation in ihren Ländern einsetzen, stärken?

Viele Diskussionen kreisen um das pro und kontra von Sanktionen gegen undemokratische Regime. Neben solchen restriktiven Maßnahmen sind auch immer wieder Anreize zur Durchführung von Reformen durch die Machthabenden im Gespräch. Der Fokus auf die betreffenden Staaten als solche und die Personen an ihrer Spitze übersieht dabei einen ganz wesentlichen Aspekt: Für einen demokratischen Wandel ist eine starke Zivilgesellschaft notwendig. Damit diese entstehen kann, braucht es Austausch. Reisen und persönliche Kontakte helfen dabei, den europäischen Gedanken in andere Länder zu tragen und dort das Bild einer offenen Gesellschaft mit Leben zu füllen. Sie sind ein entscheidender Schlüssel zu demokratischen Reformen und gesellschaftlicher Entwicklung. Wir Grüne setzen uns daher für eine Liberalisierung der Visapolitik ein.
Derzeit erschweren sowohl die Visabestimmungen der Europäischen Union (EU) als auch die deutsche Praxis der Vergabe von Visa den Austausch mit Europa. Die EU schottet sich nach außen ab, persönliche Kontakte zwischen Menschen werden behindert. Selbst für viele EU-Nachbarstaaten besteht eine Visumspflicht. Wer etwa aus Russland oder der Ukraine in die EU reisen möchte, muss sich in einem langwierigen und oftmals demütigenden Verfahren um die Erteilung eines Visums bemühen. Viele Menschen können sich zudem die Kosten, die mit der Visaerteilung verbunden sind, nicht leisten. Und gerade die deutschen Auslandsvertretungen sind dafür bekannt, bei der Visavergabe unverhältnismäßig restriktiv zu handeln.
Mit unserem Antrag „Visapolitik liberalisieren“ fordern wir die Bundesregierung daher auf, sicherzustellen, dass bei der Erteilung von Visa durch deutsche Konsulate großzügig verfahren wird und vorhandene Spielräume im Rahmen des geltenden EU-Rechts genutzt werden. Länder wie Finnland, Spanien oder Frankreich können hier als Vorbilder dienen. Klar ist jedoch auch, dass ebenso bei den europäischen Bestimmungen zur Visumspflicht Handlungsbedarf besteht. Daher soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU ihre Visabestimmungen lockert und für einige Staaten die Visumspflicht zügig ganz aufgehoben wird.
Durch die restriktive Visapolitik bleibt nämlich nicht nur eine verhältnismäßig einfache Möglichkeit zur Unterstützung von Demokratisierungsprozessen ungenutzt. Sie ist auch darüber hinaus ein Ärgernis. So klagt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zu Recht über eine erhebliche Behinderung des internationalen Geschäftsverkehrs und im Ausland tätiger deutscher Unternehmen durch das Visa-Regime. Familiäre und freundschaftliche Beziehungen von in Deutschland lebenden Einwanderinnen und Einwanderern werden durch die Visumspflicht völlig unnötig erschwert. Klar ist auch: Bei über 350.000 Visaanträgen, die etwa in Russland jährlich bei deutschen Konsulaten gestellt werden, und einer Bearbeitungszeit von sechs Minuten pro Antrag, können Visa keinesfalls für mehr Sicherheit sorgen.
Daher sagen wir: Eine Liberalisierung der Visapolitik ist überfällig. Ihre Chancen überwiegen bei weitem angebliche Nachteile. Austausch ermöglichen bedeutet Demokratie zu stärken!

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