Stammzellen: Bremer Abgeordnete zwischen Forschungsfreiheit und Skepsis
Aus dem Weserkuirier
von Dietrich Eickmeier
BERLIN. Mit einer solch klaren Mehrheit für die Lockerung des strengen deutschen Stammzellengesetzes hatten die Befürworter noch vor kurzem kaum gerechnet. Dabei gingen Zweifel, Skepsis und Hoffnung auf Fortschritte im Kampf gegen bislang unheilbare Krankheiten quer durch alle Fraktionen. Am Ende gab es auch bei den Abgeordneten aus dem Bremer Raum eine Mehrheit für die "Ethik des Heilens". "Ich war von vornherein für bessere Forschungsmöglichkeiten" sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann nach der Debatte. Schließlich gehe es um "einen der bedeutendsten Zweige in der medizinischen Forschung". Und damit um die Voraussetzung zur "Heilung schwerster Krankheiten und Linderung menschlichen Leidens: Das ist konkreter Schutz des menschlichen Lebens", so der CDU-Abgeordnete, der zunächst wie auch sein Bremer SPD-Kollege Volker Kröning für den von der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach vorgelegten Antrag gestimmt hatte, der eine völlige Befreiung der Forschung von den Fesseln einer Stichtagsregelung befürwortete.
Für Neumann, Kröning, Bremens SPD-Landeschef Uwe Beckmeyer sowie die FDP-Abgeordnete Ina Lenke aus Oyten war dann die Stichtagsverschiebung die noch akzeptable Kompromisslinie, um den deut-schen Forschern die "Möglichkeit zu eröff-nen, den Anschluss an die internationale wissenschaftliche Entwicklung nicht zu verlieren", teilt Beckmeyer Neumanns Auffassung: "Für mich war die einmalige Stichtagsverschiebung ein plausibler Vorschlag". Offenbar auch für die SPD-Abgeordneten Holger Ortel (Delmenhorst) und Joachim Stünker (Verden) sowie den Chef der CDU-Landesgruppe Niedersachsen, Enak Ferle-mann, der anders als Reinhard Grindel für den neuen Stichtag stimmte.
Womöglich aber ist noch nicht das aller-letzte Wort in dieser ethisch so umstrittenen Frage gesprochen. So ist für Volker Kröning gestern erst einmal nur eine "rechts- und forschungspolitische Zwischenlösung" er-reicht worden. Kröning, der sich, wie er sagt, auf die Entscheidung sorgfältig vorbe-reitet, aber "erst im Verlauf der gestrigen Debatte endgültig entschieden" hat, sieht, "dass die internationale Forschungsentwicklung rasant weitergeht und von uns neue Antworten verlangen könnte".
Ob der "einmaligen Verschiebung" noch weitere folgen werden, wie manche Skepti-ker fürchten, hängt in allererster Linie vom Forschungsfortschritt ab. Etwa von der Fra-ge, ob die Gewinnung von Stammzellen aus menschlicher Haut die Tötung embryonaler Zellen tatsächlich überflüssig machen kann. Viele Politiker und Wissenschaftler hoffen, dass die sogenannten reprogrammierten Körperzellen den ethischen Dauerkonflikt doch noch lösen können.
Andere sehen die medizinisch-technische Entwicklung allerdings bereits jetzt so weit fortgeschritten, "dass es keiner Änderung der bisherigen Gesetzeslage bedurfte", wie der Bremer Abgeordnete der Linkspartei, Axel Troost, sagt. Er hat wie eine knappe Mehrheit seiner Fraktion darum gegen die Stichtagsverlängerung gestimmt: "Die Forscher können mit adulten Stammzellen gut arbeiten", so Troost. Solche Zellen kommen in Knochenmark oder Leber vor, können auch aus dem Nabelschnurblut Neugeborener gewonnen werden.
Wie Troost haben die Grünen-Abgeordneten fast geschlossen gegen den neuen Stichtag votiert. Für die Bremerin Marieluise Beck waren in der "schwierigen wissenschaftlichen und ethischen Frage" am Ende die Argumente des Wiener Molekular-Pathologen Lukas Kenner ausschlaggebend, wie sie sagt. Danach gibt es derzeit keinen Mangel an Stammzellen, auch keine Verunreinigung, wohl aber ein großes Tumorrisiko. Beck: "Das hat mich überzeugt".
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Weser-Kurier Seite: 2 Datum: 12.04.2008