Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Bundestagsdebatte zu Visumgebühren für Belarus

Am 14. Februar 2008 debattierte der Deutsche Bundestag zwei Anträge, zum einen der Koalition, zum anderen der Grünen und FDP, zu Visumgebühren in Belarus. Während Grüne und FDP sich in ihrem gemeinsamen Antrag für einen Rechtsanspruch auf eine Gebührenbefreiung für alle jungen Menschen aus Belarus bis 25 Jahren einsetzen, konnte sich die Koalition nur zu einer Aufforderung an die Bundesregierung durchringen, von der bereits bestehenden Möglichkeit zur Ermäßigung großzügigen Gebrauch zu machen. Damit wird die faktischen Situation leider nicht verbessert. Lesen sie hier die Rede von Marieluise Beck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor etwa einem Jahr sind der Kollege Pofalla und ich nach Belarus gefahren und haben dort gelernt, dass die Franzosen allen jungen Belarussen unter 25 Jahren die Visumgebühren vollständig erlassen, weil sie das Interesse haben, dass möglichst viel Austausch stattfindet, Bewegung da ist und gerade die nächste Generation westliche Werte wie Freiheit, Demokratie, Lebendigkeit und kulturelles Leben kennenlernt. Wir fanden, dass das eine gute Idee ist. Wir haben verabredet, dass wir das in Deutschland auch machen.

Ab da begannen zehnmonatige, zähe Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien, dem Auswärtigen Amt, den Innenpolitikern und ich weiß nicht wem sonst noch. Herausgekommen ist ein Antrag. Die FDP und wir Grünen haben den Text eingebracht, der von den Koalitionären wortgleich übernommen worden ist. An der Stelle, wo es Ernst wird, wo es darum geht, dass das Parlament eine Vorgabe macht - nach dem Motto: wir wollen, dass von unter 25-Jährigen keine Gebühren und von Beziehern geringer Einkommen ermäßigte Gebühren genommen werden -, hat man die Sache weggedrückt und eine Empfehlung gemacht. Damit ist faktisch nicht mehr übrig geblieben als die Entscheidungs- und Ermessensfreiheit, die die Konsulate schon derzeit haben.

Nun haben wir eben gehört, dass das Ganze angeblich nicht gehe. Das würde bedeuten, dass Frankreich als Schengen-Staat gegen das Schengen-Abkommen verstößt.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja!)

Ich habe noch nicht gehört, dass sie dafür gerügt worden sind.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir wollen sie auch lieber nicht anklagen!; Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Können Sie ja jetzt einmal machen!)

Man könnte ja einmal fragen, ob Frankreich in irgendeiner Art und Weise sanktioniert werden müsste. Der zweite Aspekt sind die Visumerleichterungen insgesamt. Wir alle haben am 21. Dezember die Erweiterung des Schengen-Raumes gefeiert. Es ist ja wunderbar, dass er sich nach Osten ausdehnt. Diese Medaille hat aber eine zweite Seite: An der Grenze zu den Menschen in Weißrussland ist eine Mauer hochgezogen worden. Das ist dramatisch. Früher gab es einen kleinen Grenzverkehr. Für 5 Euro bekam man ein Visum. Jetzt müssen die Menschen aus Belarus Schengen-Visa für 60 Euro pro Visum beantragen. Das heißt: Wir sperren die Menschen von unserer Seite aus ein, behaupten aber, wir wollten alles tun, um Dialog, Freiheit und Auseinandersetzung zu ermöglichen und die zivilgesellschaftlichen Kräfte zu stärken, die versuchen, gegenüber dem Regime Lukaschenko etwas Neues aufzubauen. Das ist ein Widerspruch in sich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nun wird hier behauptet, dass Belarus im Gegensatz zu anderen GUS-Staaten die Absenkung der Visumgebühren auf 35 Euro nicht beantragt hat. Das ist aber nachweislich falsch. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage, die uns gestern zugegangen ist, zugibt, hat Belarus in den Jahren 2004 und 2007 die Ermäßigung der Visumgebühren auf 35 Euro beantragt. Von der Europäischen Union ist das aber abgelehnt worden. Jetzt wird es spannend: Was passiert in der Europäischen Union? Sie sagt: Belarus ist kein demokratischer Staat, also müssen wir ihn sanktionieren, also reduzieren wir die Visumgebühren nicht. Damit trifft die Europäische Union aber genau die Falschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das ist eine so irrwitzige Politik, dass man sich wünscht, dass das Auswärtige Amt und die Bundesregierung dagegen intervenieren. Das haben sie aber nicht vor, wie in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage nachzulesen ist.

Liebe Kollegen, lieber Kollege Grund, ich weiß, dass Sie absolut guten Willens sind. Frau Zapf, es gibt da etwas zu tun. Die Europäische Union geht von einer idiotischen Logik aus. Sie meint zwar, dass sie das Regime trifft, aber sie trifft die kleinen Leute. Das ist ein Unsinn, den wir nicht mittragen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Krempeln Sie also die Ärmel hoch und seien Sie so mutig wie Frankreich. Setzen Sie sich innerhalb der EU dafür ein, dass die Gebühren reduziert werden, wie es bei der Ukraine und anderen Staaten der Fall ist. Lassen Sie uns weiterhin im Auge behalten, ob sich Belarus wirklich bewegt. Nächste Woche steht der Prozess gegen fünf junge Menschen von der Malady-Front an. Der Staatsanwalt hat eine zweijährige Haftstrafe beantragt, nur weil sie Mitglied einer nicht registrierten Organisation sind. Herr Klimov und Herr Kasulin sind bereits erwähnt worden; es gibt noch viele andere. Es gibt noch sehr viel zu tun, ehe wir das Gefühl haben können, dass es in Belarus ein winziges Zeichen des Frühlings gibt. Wir alle wünschen uns das. Die falschen Menschen dafür zu bestrafen, dass sie in ihrem Land ein autoritäres Regime haben, das passt nun wirklich nicht zu unserer Logik und unseren demokratischen Vorstellungen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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Lesen Sie hier den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und FDP Ermäßigung der Visumgebühr für Menschen aus Belarus .

Lesen Sie hier den Antrag der Koalition Ermäßigung der Visumgebühr für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus

Lesen Sie hier die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage Ein Visumserleichterungsabkommen für Belarus

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