von Marieluise Beck, erschienen im Weser Kurier am 14. Februar 2016.
Noch nie waren die westlichen liberalen Demokratien und die Europäische Union so in Gefahr wie heute. Donald Trump rollt das republikanische Lager in Amerika mit menschenverachtender, antidemokratischer Rhetorik auf. Internationales Recht interessiert ihn nicht, er pflegt die Sprache der Gewalt. Wladimir Putin drohte dem Vernehmen nach schon vor Jahren "Saakaschwili an seinen Eiern aufzuhängen". Da treffen sich zwei Brüder im Geiste.
Das antiwestliche, antidemokratische Netzwerk, das Putin in Europa einfädelte, wollte die europäische Politik lange nicht wahrhaben. So wie der CSU-Abgeordnete Gauweiler die völkerrechtswidrig annektierte Krim zur Freude des Kreml besuchen wollte, reisten Abgeordnete der Linken in die von den Separatisten gehaltene Ostukraine und ließen sich dort von dem antisemitischen „Präsidenten“ Sachartschenko zu Propagandazwecken instrumentalisieren. Der anbiedernde Besuch des Ministerpräsidenten Seehofer bei Putin fand bei Sahra Wagenknecht Unterstützung.
Die antiwestliche und antiliberale Propaganda Putins in Russland findet ihren Gegenpart in Europa. Nicht umsonst lud Putin Rechtsextreme wie den französischen Front National, Jobbik aus Ungarn, die österreichische FPÖ, den belgischen Vlaams Belang, aber auch kommunistische Parteien aus Griechenland und Lettland und die Demokratische Linksallianz aus Polen zum sogenannten Referendum auf die Krim ein. Beim skandalösen Fall Lisa sprangen NPD und Pegida der Propaganda des Kreml hilfreich zur Seite. Beide politischen Lager sind bereit, aus ihrer Abneigung gegen die USA in das reaktionäre antieuropäische Projekt Putins einzusteigen.
Erst langsam beginnt der Westen zu begreifen, dass Putins Netzwerk dem Interesse dient, die Europäische Union aus den Angeln zu heben. Putins Politik zeigt alle Insignien eines antiliberalen, reaktionären Denkens: gegen Homosexuelle, gegen Einwanderer und Flüchtlinge, für einen russischen Nationalismus, für ein starkes Bündnis mit einer nationalistischen orthodoxen Kirche. Donald Trump will Muslimen die Einreise verweigern und hetzt gegen Flüchtlinge. Eine solche Politik ist ein Angebot an rechts und sollte für Linke tabu sein.
Es wird Zeit, die Augen aufzumachen und unseren naiven Selbstbetrug aufzugeben: Es geht um die Zukunft der liberalen Demokratie. Wir sollten die Wehrhaftigkeit eines Willy Brandt wieder entdecken. Sonst werden die Putins, Trumps, Erdogans, Orbans, Kaczynskis, Petrys, Farages, Le Pens und andere Gespenster unsere freiheitlichen, konfliktreichen, multikulturellen, schwierigen und anstrengenden Demokratien in graue Käfige verwandeln.