Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Schlafendes Kind aus dem Bett entführt

Findorfferin kämpft um ihren kleinen Sohn in Tunesien.

Aus dem Weser-Kurier vom 11.10.08 von Rose Gerdts-Schiffler

BREMEN. Seit fünf Wochen kreisen bei Gracia Kranz alle Gedanken um ihren dreijährigen Sohn Faris. Während eines Aufenthaltes der Bremer Studentin in Tunesien wurde das schlafende Kind entführt. Akteure in dem Drama sind der leibliche Vater des Jungen sowie enge Verwandte des Mannes. Gracia Kranz kämpft inzwischen mit Unterstützung der ehemaligen Ausländerbeauftragten der Bundesrepublik, Marieluise Beck, sowie mit der von Polizei und Staatsanwaltschaft um ihren Sohn. Der kleine Junge ist in Bremen geboren und besuchte bis zu seiner Entführung Mitte August eine Kindergruppe in Findorff. Ebenso wie seine Mutter ist Faris Deutscher. Sein Vater Fayek K., ein Student aus Tunesien, hatte sich schon früh von Gracia Kranz getrennt und die Vaterschaft zunächst bestritten. Ein Test brachte jedoch schnell Gewissheit. "Danach wollte mein Ex-Freund Faris gerne sehen."

Zögernd ließ sich die Bremerin darauf ein. Zwei Jahre lang ging alles gut: "Fayek brachte ihn zuverlässig und pünktlich zurück und ging gut mit Faris um", erzählt Gracia Kranz. So willigte sie schließlich darin ein, dass Fayek K. diesen Sommer seinen Sohn den Großeltern in Tunesien vorstellen wollte. Vater und Sohn sollten vorreisen, Gracia Kranz wollte nachkommen. So geschah es denn auch.

"Aber ich hatte schnell das Gefühl, dass sie mich nicht zusammen mit meinem Sohn wieder gehen lassen würden", erzählt die Bremerin. Da sie praktisch die gesamte Zeit "unter Beobachtung" gestanden habe und weder Französisch noch Arabisch spricht, benachrichtigte sie per Handy eine Freundin in Deutschland. Diese schaltete die deutsche Botschaft ein.

Unter Schock ins Flugzeug gesetzt Am Abend vor ihrer Rückreise nach Deutschland lockte Fayek K. die Bremerin zu einem kurzen Gespräch vor die Tür. Der dreijährige Faris schlief derweil in seinem Bettchen im Haus einer Schwester des Mannes. Als Gracia Kranz später nach ihrem Sohn schauen wollte, war er verschwunden.

"Ich bin völlig ausgeflippt", erzählt die Bremerin. Fayek K. habe sie daraufhin das erste Mal geschlagen. Am nächsten Morgen sei sie von Familienmitgliedern zum Flughafen eskortiert und ins Flugzeug gesetzt worden. "Ich stand unter Schock. Zugleich hat mir Fayek K. versprochen, am 29. August mit meinem Sohn nach Bremen zurückzukehren." Doch die 29-Jährige wartete vergeblich mit ihrer achtjährigen Tochter auf den Jungen.

Haftbefehl gegen den Vater Inzwischen ist die Studentin ein zweites Mal nach Tunesien gereist, hat dort Anzeige erstattet und sich einen tunesischen Anwalt genommen. Gegen Fayek K. liegt ein Haftbefehl in der gesamten EU vor, denn die Mutter hatte das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn.

Das Auswärtige Amt habe ihr signalisiert, so Gracia Kranz, dass ihr Schicksal eine bedauerliche Privatangelegenheit sei. Möglicherweise, weil Tunesien nicht dem Hagener Übereinkommen zum Kindeswohl beigetreten ist.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck hat sich jetzt des Falles angenommen. Sie sprach mit dem tunesischen Botschafter in Berlin, seinem deutschen Amtskollegen in Tunesien und Vertretern des Auswärtigen Amtes. Zudem schaltete sie das Justizministerium ein und versucht, mit dem in Bremen lebenden und am Flughafen arbeitenden älteren Bruder des Vaters, Faouzi K., Kontakt aufzunehmen. Zurzeit weilt der Tunesier in seinem Heimatland.

Sowohl Gracia Kranz als auch Marieluise Beck hoffen, über den älteren Bruder auf Fayek K. einzuwirken, das verschleppte dreijährige Kind seiner Mutter zurückzugeben.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 11.10.2008

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