In Belarus herrscht das restriktivste autokratische Regime in Europa. Es gibt keine freien Wahlen, Versammlungs- und Meinungsfreiheit werden nicht gewährt, oppositionelle Politiker werden systematisch verfolgt und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Alle elektronischen Medien unterliegen der direkten Kontrolle der Präsidialadministration, unabhängige Zeitungen dürfen nicht vertrieben werden und existieren damit faktisch nicht mehr. Schwammige Formulierungen in NGO- und Extremismusgesetzen dienen zur Verfolgung kritischer Stimmen und sollen so zivilgesellschaftliches Engagement im Keim ersticken.
Der Bundestag hatte sich aus Anlass der Präsidentenwahlen 2006 mit zwei Anträgen zu Belarus befasst und sich fast einmütig zur Unterstützung der weißrussischen Opposition verpflichtet. Mit dem freien Reiseverkehr, mit der Begegnung und dem Kontakt zwischen Menschen hat die EU das wirksamste Instrument in der Hand, um eine Öffnung von Belarus zu fördern. Wichtig ist die Möglichkeit zu reisen vor allem für die jungen Menschen des Landes, denn sie sind die zukünftigen Eliten.
Nach nunmehr 13 Jahren autoritärer Herrschaft wächst in Belarus eine Generation heran, die zeitlebens der Propaganda und Indoktrination des Regimes ausgesetzt war. Mit der Erhöhung der Visumsgebühren für den Schengenraum zum 1. Januar 2007 auf 60 hat die EU die Möglichkeiten zur Erweiterung des Horizonts zusätzlich erschwert. Sie schränkt auf diese Weise den Bewegungsspielraum für weißrussische Bürgerinnen und Bürger ein. Ein Visum kostet nun fast ein Drittel eines belarussischen Monatseinkommens und ist damit für viele unerschwinglich. Die vielfältigen Kontakte, die es Jahr für Jahr zwischen deutschen und belarussischen Familien gibt, weil Ferienkinder zur gesundheitlichen Erholung nach Deutschland kommen, sind über diese zusätzlichen Kosten gefährdet.
Nach der Gebührenerhöhung für die GUS-Staaten Russland und die Ukraine sind auf Antrag der Regierungen in Moskau und Kiew die Gebühren bei 35 geblieben. Die Regierung Lukaschenko hat einen solchen Antrag nicht gestellt. Belarus ist damit das einzige Land an der Ostgrenze der EU, das nun diese hohen Gebühren entrichten muss.
Unsere Fraktion hat deshalb schon im Februar den Vorschlag zu einer interfraktionellen Initiative gemacht, mit der die Bundesregierung zur Erlassung der Visagebühren für Menschen bis 26 Jahre aus Belarus aufgefordert werden soll. Seitdem wurde mit der Koalition darüber verhandelt. Jetzt haben sich jedoch die Bremser durchgesetzt: die Koalition hat einen eigenen Antrag formuliert, der trotz gleicher grundsätzlicher Zielstellung keine verbindliche Regel zur Erlassung von Visagebühren festschreiben will. Vielmehr beschränkt er sich auf einen Appell an die Großzügigkeit der Genehmigung ermäßigter oder kostenloser Visa.
Das genügt uns nicht. In der Hoffnung, doch noch eine bessere Lösung für die Menschen in Belarus erreichen zu können, halten wir unseren Antrag aufrecht. Die FDP hat sich uns angeschlossen. In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause des Bundestages wurden unser Antrag und der der Koalition in die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Dort wollen wir weiter diskutieren, um doch noch einen Beschluß des Bundestages zu erreichen, der rechtsverbindliche Regeln zur Erleichterung von Reisen aus Belarus ermöglicht.
Lesen Sie hier den Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP Ermäßigung der Visumgebühren für Menschen aus Belarus .
Lesen Sie hier ein Interview mit Marieluise Beck zum Antrag (russisch/no-pyccku) auf der Internetseite der Deutschen Welle Belarus.