Vor dem Hintergrund des in Untersuchungshaft erlittenen Todes des russischen Anwalts Sergej Magnitskij befragte Marieluise Beck die Bundesregierung in der Fragestunde am 2. Dezember 2009 zu rechtsstaatlichen Bedingungen für deutsche Investitionen in Russland und ihre Sicherheit.
Der am 16. November 2009 gestorbene Magnitskij vertrat als Anwalt Interessen des internationalen Investmentfonds Hermitage Capital. Er war vor einem Jahr im Rahmen von Ermittlungen gegen die Führung von Hermitage Capital verhaftet worden. Magnitskij wurde beschuldigt, ein illegales System entwickelt zu haben, mit dem die Führung des Investmentfonds Steuern hinterzogen haben soll.
Der Tod des 37-jährigen wurde vermutlich von einer Bauchspeicheldrüsenentzündung verursacht. Nach Angaben seiner Anwälte habe sich Magnitskij mehrmals über seinen schlechten Gesundheitszustand beklagt jedoch keine medizinische Hilfe bekommen.
Lesen Sie hier die Fragen von Marieluise Beck und die Antworten der Bundesregierung
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
1. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund des in Untersuchungshaft kürzlich erlittenen Todes des Anwalts Sergej Magnitskij, der die Interessen der internationalen Investmentgesellschaft Hermitage Capital vertrat, die nach Einschätzung des Europarates 2007 „das Opfer der Korruption und Kollusion hoher Polizeibeamter und organisierter Krimineller“ wurde (Parlamentarische Versammlung des Europarates, Dok. 11993 vom 7. August 2009), die rechtsstaatlichen Bedingungen für Investitionen deutscher Unternehmen in der Russischen Föderation und die Sicherheit dieser Investitionen, und wie spiegelt sich diese Bewertung der Bundesregierung in ihren Empfehlungen an deutsche Unternehmen zu Investitionen in Russland wider?
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Den tragischen Fall des in der Untersuchungshaft verstorbenen Anwalts Sergej Magnitskij sieht die Bundesregierung mit Besorgnis. Er ist ein weiteres Indiz für schwere Defizite im russischen Strafvollzugsystem. Die Bundesregierung beobachtet die rechtsstaatliche Entwicklung in der Russischen Föderation weiterhin mit großer Aufmerksamkeit. Sie wird Defizite in diesem Bereich auch weiterhin kontinuierlich thematisieren. Vergleichbares gilt für Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit deutscher Unternehmen in Russland. Die Bundesregierung weist in ihren Kontakten mit der russischen Regierung immer wieder auf die überragende Bedeutung verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für ausländische Investoren in Russland hin.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
2. In welcher Form sollen nach Meinung der Bundesregierung vor dem Hintergrund von Fällen wie dem von Sergej Magnitskij die Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Investitionssicherheit im neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, PKA, zwischen der EU und Russland behandelt werden, und wie setzt sich die Bundesregierung für die angemessene Berücksichtigung dieser Fragen im zukünftigen PKA im Rahmen ihrer bilateralen Kontakte ein?
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Die Europäische Union verhandelt mit Russland derzeit über ein „Neues Abkommen“ als Nachfolgedokument zum bestehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, PKA. Das Abkommen soll alle wichtigen Bereiche der Zusammenarbeit umfassen und die wichtigste Grundlage für die Weiterentwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der Russischen Föderation bilden.
Das im Mai 2008 der Kommission vom Rat gegebene Mandat für die Verhandlungen sieht vor, dass das Abkommen die Achtung demokratischer Grundsätze und fundamentaler Menschenrechte als „essenzielles Element“ enthalten soll. Es soll ferner eine Klausel enthalten, die die einseitige Suspendierung des Abkommens für den Fall der Verletzung dieser Prinzipien ermöglicht. Die Frage der Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit, einschließlich der Frage der Investitionssicherheit, geht allen anderen thematischen Punkten demnach vor. Die Kommission führt die Verhandlungen mit Russland auf der Basis dieses Mandats. Die Bundesregierung zweifelt nicht daran, dass die Kommission den erwähnten Prinzipien den ihnen zugedachten prominenten Stellenwert in den Verhandlungen beimisst.