Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Eine Abstimmung ohne Wahl - Die Parlamentswahl in Russland geriet zur Farce

Die Wahlen in Russland haben eins gezeigt: der russischen Führung ist inzwischen wenig daran gelegen, auch nur den Anschein von Demokratie zu wahren.

Waren die letzten Parlamentswahlen im Jahr 2003 schon nicht fair, aber immerhin frei, hat es in diesem Wahlgang derart eklatante Verstöße gegen das Prinzip der freien Wahl gegeben, dass man unumwunden feststellen muss: In Russland gibt es keine Demokratie, und niemand im Kreml hat ein Interesse daran, dies zu ändern.

Schon im Vorfeld der Wahlen wurden alle Weichen für einen überwältigenden Sieg der Kreml-Partei „Einiges Russland“ gestellt und die Konkurrenz durch Verschärfung der Wahl– und Parteiengesetzgebung stark eingeschränkt. Besonders über die staatlichen Medien dominierten im Wahlkampf „Einiges Russland“ und ihr Spitzenkandidat Putin, der sich mit scharfen Attacken gegen die liberale Opposition hervortat.

Die Tatsache, dass diese Weichenstellung nicht genügte und der Kreml dazu überging, sogar in die Freiheit und Geheimhaltung der Stimmenabgabe einzugreifen, zeugt von der Schwäche des Systems. Am Wahltag wurde massiv Druck ausgeübt, um die Bürgerinnen und Bürger zur Wahl von „Einiges Russland“ zu bringen. Von bereits ausgefüllten Stimmzetteln und Stimmenkauf bis hin zur direkten Androhung von Entlassungen wurde nichts unversucht gelassen. Von einem souveränen Wahlsieg kann daher keine Rede sein.

Unabhängige Pressekonferenz am Wahlabend mit (v.l.) Lilja Schibanowa ("Golos"-Wahlbeobachtung), Ludmila Alexejewa (Moskauer Helsinki Komitee) und Alexander Ausan (Institut Nationales Projekt "Gesellschaftsvertrag")

Die EU aber auch OSZE und Europarat haben die Wahl in ungewöhnlich deutlicher Form kritisiert. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass die russische Seite sich davon beeindrucken lässt. Im Gegenteil, für die anstehenden, wichtigeren Präsidentschaftswahlen sind noch stärkere Repressionen gegen die Opposition zu befürchten und eine noch drastischere Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Auch in der Außenpolitik ist bis dahin kein Entgegenkommen in kontroversen Fragen zu erwarten, denn das Image des wieder erstarkten, selbstbewusst auftretenden Russlands kommt im Inland gut an.

Dieses Image kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein System, dass auf einer delikaten Machtbalance rivalisierender Gruppen innerhalb der Kreml-Administration basiert und auf Repressalien gegen politische Gegner angewiesen ist, dem Land auf Dauer keine Stabilität bieten kann. Der „Plan Putin“ ist nicht bis zu Ende gedacht - das haben die Duma-Wahlen deutlich gezeigt.

Marieluise Beck (li.) und Lilja Schibanowa, Direktorin der unabhängigen Wahlbeobachtung "Golos"

Auch die Bundesregierung hat Kritik am Wahlverlauf geübt. Zumindest in diesem Punkt hat sie geschlossen agiert. Zuvor allerdings gab es zwischen Kanzleramt und Außenministerium einen Schlagabtausch, der die deutsche Außenpolitik geschwächt hat. Geschlossenheit im Auftreten gegenüber Russland ist dringend notwendig. Anstatt sich zu entzweien, sollte die Bundesregierung sich für eine gemeinsame EU-Politik gegenüber Russland einsetzen. Nur so kann ein wirksamer Ansatz verfolgt werden, der Kooperation mit Russland ermöglicht und zugleich Raum gibt für einen kritischen Dialog.

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