Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Marieluise Beck mit der Kanzlerin in Nahost

Als Vertreterin der Deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist Angela Merkel in Begleitung von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen vom 3. bis 6. Februar im Nahen Osten unterwegs. Marieluise Beck vertritt hierbei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Nahost-Reise. Über die Notwendigkeit, in dieser Situation Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess zu bringen, spricht Marieluise Beck in einem Interview auf Deutschlandfunk am 5. Februar 2007. Weiterhin berichtet sie von Ihren Eindrücken der Reise und von dem Besorgnis in der arabischen Welt über eine drohende atomare Bewaffnung des Iran:

Jochen Spengler, Deutschlandfunk: Die Bundeskanzlerin wird nicht nur von ihren Mitarbeitern und Journalisten begleitet, auch Politiker nicht nur der eigenen Partei sind dabei. Wir sind jetzt telefonisch in Saudi-Arabien verbunden mit der Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck, die für die Grünen im Auswärtigen Ausschuss sitzt. Guten Morgen, Frau Beck!

Marieluise Beck: Guten Morgen!

Spengler: Frau Beck, was einem als Laien zunächst komisch vorkommt, dass nämlich auch Oppositionspolitiker auf so einer Reise der Kanzlerin mitfahren, das ist durchaus üblich, habe ich mir sagen lassen, und gehört sogar zum guten politischen Stil. Aber ich frage mich schon, was machen Sie eigentlich konkret, wenn zum Beispiel die Kanzlerin mit dem König Abdullah redet, sitzen Sie dann vor der Tür?

Beck: Nein. Es gibt aber ein Programm, was dann für die begleitenden Abgeordneten zusammengestellt wird. Wir haben hier in Saudi-Arabien gesprochen mit Vertretern der Zivilgesellschaft, wie es heißt, die ja in Saudi-Arabien wenig Spielräume hat.

Spengler: Gibt es die überhaupt dort?

Beck: Ja, also wie gesagt, mit Einschränkungen, aber doch immerhin. Es gibt ja wie in jeder Gesellschaft hier Menschen, die ausgebildet worden sind außerhalb von Saudi-Arabien. Es waren fast alles Menschen, die außerhalb von Saudi-Arabien gelebt hatten, und das ist dann doch sehr spannend. Außerdem sind wir zusammengetroffen mit einem Menschenrechtskomitee, was hier eingesetzt worden ist auch von der Regierung, von dem König, muss man sagen, aber doch immerhin so, dass sie zeigen wollen, es fängt an sich etwas zu bewegen, wobei uns immer deutlich versichert worden ist, man solle bitte Rücksicht nehmen auf Tradition und Religion, zu schnell könne sich dieses Königreich nicht bewegen.

Spengler: Was haben Sie denn bislang gelernt auf dieser Reise, genau das?

Beck: Gelernt haben wir - und das ist ja eines der Hauptanliegen -, dass doch innerhalb dieser arabischen Staaten, innerhalb der Arabischen Liga die Unruhe wächst über die zunehmende Zahl von Instabilität in dieser Region, jetzt auch über den Iran, der zunehmend hineingreift in andere Länder, aber natürlich auch vor allen Dingen durch den israelisch-palästinensischen Konflikt. Und der Druck wächst, sich selber mit auf die diplomatische Ebene zu bewegen und noch stärker in die Vermittlung hineinzugehen in der Hoffnung, dass man dort einen Schritt wieder nach vorne machen kann, dass es wieder zu Verhandlungen kommen kann.

Spengler: Kann denn dieses erzkonservative Königreich in Saudi-Arabien, kann das Bündnispartner sein bei der Suche nach Frieden, muss es das sein?

Beck: Also es zeichnet sich wohl ab, dass es doch auch Bündnispartner sein wird. Die Arabische Liga ist derzeit dabei, vor allen Dingen Ägypten und Saudi-Arabien, sich sehr intensiv mit den Hamas- und Fatah-Vertretern zu treffen in der Hoffnung, man könne sie doch dazu bringen, eine Regierung der Einheit zu bilden. Denn es ist ja derzeit ein solches Machtvakuum in Palästina, dass es überhaupt gar keine Ansprechpartner gibt für irgendwelche Verhandlungen.

Spengler: Frau Beck, kann es aus Ihrer Sicht überhaupt Frieden geben, ohne dass sich die Palästinensergruppen in Palästina einig werden und Frieden schließen?

Beck: Nein, das ist natürlich eine Voraussetzung, dass dieser wahnsinnige Bruderkampf, der dort innerhalb der palästinensischen Gesellschaft sich abspielt, wieder sich beruhigt, denn was derzeit passiert, ist natürlich keinerlei Möglichkeit überhaupt in irgendwelche Verhandlungen zu kommen, weil man gar nicht wüsste, mit wem.

Spengler: Morgen wird in Mekka sozusagen ein Spitzentreffen zwischen den Palästinensergruppen auf Vermittlung des saudischen Königs stattfinden. Was erwartet man von diesem Treffen?

Beck: Also es gibt schon die Hoffnung, dass die Menschen wieder zur Vernunft kommen im Gazastreifen und Westjordanland, und der Druck nimmt auch zu, das Unverständnis, dass jetzt diese archaische Gewalt ausgebrochen ist. Und man kann nur darauf hoffen, dass auch dort irgendwann die Menschen wieder zur Vernunft kommen. Es gibt ja wirklich keine andere Hoffnung als diese.

Spengler: Es geht ja insgesamt bei der Reise von Frau Merkel und Ihre Reise um den Friedensprozess im Nahen Osten, wo ja offenbar alles mit allem zusammenhängt, alle möglichen Konflikte. Wenn es überhaupt so etwas gibt, wo liegt der Schlüssel? Liegt er bei den Palästinensern?

Beck: Ich wäre sehr zurückhaltend, von einem Schlüssel zu sprechen. Wir haben so viele unterschiedliche Konfliktlinien, die sich überlagern. Ich nenne den Iran. Die drohende atomare Bewaffnung des Iran wird mit äußerster Sorge und Unruhe hier wahrgenommen, denn das bedeutet, dass von iranischer Seite aus das Machtverhältnis verschoben werden soll innerhalb des Nahen Ostens. Das ist nun keine Folge des palästinensisch-israelischen Konfliktes. Und insofern würde ich von einem Schlüssel nicht sprechen. Dass es ein zentraler Konflikt ist, das ist sicherlich richtig, und dass es zu einer unglaublichen Entlastung führen würde, wenn es hier endlich mal wieder konstruktive Bewegung geben würde, wenn Licht am Ende des Tunnels zu sehen wäre, das ist sicherlich auch richtig. Aber von einem Schlüssel würde ich nicht sprechen.

Spengler: Was kann denn in diesem Prozess nun diese Reise der Kanzlerin bewirken? Ist es so, wie schon eine Zeitung heute kommentiert, dass die Reise wirkungs-, ideen- und anschublos bleibt?

Beck: Da wäre ich zurückhaltend. Wissen Sie, jeder, der die Konfliktlage im Nahen Osten kennt, weiß, dass es immer Schritte vor und zurück gibt, es hat sie immer so gegeben. Es hat Zeiten gegeben, da schien man ganz nah vor eine Lösung, als Clinton zum Beispiel noch einmal diese große Initiative gestartet hatte. Es muss Bewegung geben. Das ist der zentrale Punkt. Die Kanzlerin ist nun mit ihrer EU-Ratspräsidentschaft, mit ihrem G8-Vorsitz derzeit die Vertreterin der Europäischen Union. Sie zeigt damit der Arabischen Liga und diesen Ländern im Nahen Osten, dass auch die Europäische Union als Partner bereit steht, dass man sich verständigen, dass man an einem Strang ziehen wird, und das ist im Augenblick das, was getan werden kann. Und Sie wissen, dass parallel das Quartett wieder zusammentrifft. Insofern gibt es Diplomatie. Es wird unendlich viel gesprochen werden. Sie wissen, dass auch die US-Außenministerin Rice wieder unterwegs ist. Durchbrüche sind eine Fantasie unseres politischen Denkens. Durchbrüche, so wie wir sie uns vorstellen, denke ich, gehören eher nicht zum Nahen Osten.

Spengler: Das war die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Marieluise Beck. Frau Beck, herzlichen Dank für das Gespräch.

Beck: Bitteschön.

Hier können Sie das Interview auch noch einmal nachhören.