Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Chronologie des Genozids von 1995

Diese Chronologie der Ereignisse von Srebrenica ist der Broschüre "Srebrenica - Erinnerung für die Zukunft" der Heinrich Böll Stiftung entnommen.

März 1995: Radovan Karadžic;, der damalige Präsident der Republika Srpska, gibt eine Direktive („Direktive Nr. 7“ vom 8. März 1995) für das Vorgehen der Armee der Republika Srpska gegenüber der Enklave heraus.Konkret beinhaltet diese Strategie, dass die Armee der Republika Srpska eine „physische Abtrennung Srebrenicas von Zepa ausführen und die Hilfskonvois auf ihrem Weg nach Srebrenica blockieren soll“.

2. Juli 1995: Der General der Armee der Republika Srpska, Milenko Zivanovic, unterschreibt zwei Befehle, in denen er den Angriffsplan auf die Enklave darlegt und befiehlt, verschiedene Einheiten des Drina-Korps in Kampfbereitschaft zu versetzen. Die Operation wird „Krivaja 95“ genannt.

6. Juli 1995: Der Angriff der serbischen Truppen auf Srebrenica beginnt. Der Kommandant des niederländischen Bataillons, Oberst Karremans, wendet sich mit der Forderung nach „Luftunterstützung“ an den UN-Generalstab in Sarajevo, nachdem Flüchtlingslager und UN-Beobachtungsposten mit Granaten beschossen worden waren.

9. Juli 1995: Serbische Truppen umzingeln die Stadt Srebrenica. Karadžic gibt einen neuen Befehl heraus, in dem er der Einnahme der Stadt Srebrenica zustimmt.

10. Juli 1995: Die Serben beschießen Srebrenica mit Granaten. Die Einwohner Srebrenicas fliehen in Richtung Potocari, wo sich die UN-Basis befindet. Oberst Karremans stellt einen formellen Antrag an das UN-Kommando mit der Bitte um Luftunterstützung, nachdem serbische Truppen Stellungen seiner Soldaten mit Granaten beschossen hatten.

Der Kommandant der UN-Truppen, der französische General Janvier lehnt den Antrag zunächst ab, stimmt aber nach einem erneuten Antrag Luftangriffen zu. In der Zwischenzeit enden die Angriffe der serbischen Truppen auf UN-Soldaten, so dass auch die Luftangriffe ausgesetzt werden.

Oberst Karremans wendet sich an die bosniakische Bevölkerung in Srebrenica und versichert ihnen, dass die NATO mit einen Großangriff auf die serbischen Truppen in Bosnien und Herzegowina reagieren werde, sollten sich diese nicht bis 06:00 Uhr am nächsten Morgen aus dem Gebiet der Schutzzone zurückgezogen haben.

11. Juli 1995: Die Serben beschießen das Stadtgebiet von Srebrenica intensiv mit Granaten.

9:00 Uhr: Oberst Karremans erhält die Antwort, dass sein Antrag mit der Bitte um Luftunterstützung auf einem falschen Formular eingereicht wurde. Um 10:30 Uhr erreicht der nochmals gestellte Antrag General Janvier, doch die NATO-Flugzeuge, die seit 06:00 Uhr morgens Srebrenica überflogen hatten, mussten zu ihrer Basis in Italien zurückkehren, da ihr Treibstoff aufgebraucht war.

14:30 Uhr: Die NATO bombardiert Panzer der Armee der Republika Srpska. Die Armee der Republika Srpska droht mit der Ermordung der gefangen genommenen niederländischen Soldaten und mit Granatenbeschuss der UN-Basis in Potocari. Die Luftunterstützung wird eingestellt. Zusammen mit General Krstic, General Zivanovic und anderen zieht Ratko Mladic in Srebrenica ein.

20:00 Uhr: Im Hotel „Fontana“ in der benachbarten Stadt Bratunac wird ein Treffen zwischen Vertretern der Armee der Republika Srpska und dem Befehlshaber der holländischen UNPROFOR-Einheiten abgehalten. Das Treffen findet unter Mladics Vorsitz statt. Bei dem Treffen werden Flüchtlingsfragen erörtert.

Gegen 22:00 Uhr: Die militärische und zivile Führung von Srebrenica fasst den Beschluss, eine fast ausschließlich aus Männern bestehende Kolonne zu bilden, die versuchen soll, sich durch den Wald bis auf das freie Territorium um Tuzla durchzuschlagen. Die Kolonne bricht um Mitternacht Richtung Norden auf.

12. Juli 1995: General Zivanovicc unterschreibt einen Befehl an alle Einheiten des Drina-Korps, in dem er fordert, dass „alle Busse ... die sich im Besitz der Armee der Republika Srpska befinden, dem Drina-Korps zur Verfügung gestellt werden.“ Das Verteidigungsministerium der Republika Srpska übermittelt seinen Gebietssekretariaten drei Befehle mit der Anordnung, Busse zu organisieren und sie nach Bratunac zu schicken.

10:00 Uhr: Im Hotel „Fontana“ wird ein drittes Treffen abgehalten, wieder unter dem Vorsitz von General Mladic. General Krstic ist bei ihm. Mladic befiehlt, die bosniakischen Flüchtlinge zu deportieren. Er teilt den Anwesenden außerdem mit, dass wegen des Auffindens von „Kriegsverbrechern“ alle Männer im Alter zwischen 16 und 65 Jahren von den anderen getrennt werden müssen.

13:00 Uhr: Dutzende Busse kommen in Potocari an. Frauen, Kinder und Alte werden mit Bussen von Potocari weggefahren, in Richtung des von der bosnischen Armee kontrollierten Territoriums bei Tuzla. Die Männer im Alter zwischen 16 und 65 Jahren werden systematisch separiert und zunächst in Potocari gefangen gehalten, um dann nach Bratunac verlegt zu werden. Truppen der bosnischen Serben, Angehörige der Armee der Republika Srpska und der Spezialeinheiten des Innenministeriums beziehen mit gepanzerten Transportern, Panzern, Luftabwehrgeschützen und Artillerie entlang der Straße Bratunac-Milic Stellung, um die Kolonne abzufangen, die in der Nacht Srebrenica verlassen hatte. Die serbischen Truppen eröffnen Artilleriefeuer auf die Kolonne, welche die asphaltierte Straße zwischen Konjevic Polje und Nova Kasaba überquert. Es gibt erste Gefangene aus der Kolonne.

13. Juli 1995: Die Deportation der Frauen, Kinder und Alten wird fortgesetzt. Die Männer werden auch weiterhin von den anderen getrennt und nach Bratunac gebracht. Viele Männer aus der Kolonne werden gefangen genommen. Einige Tausend von ihnen werden zu Sammelstellen in der Ebene bei Sandic und in das Fußballstadion in Nova Kasaba gebracht. Die Massenmorde beginnen: beim Fluss Jadar, im Cerska-Tal und in der Lagerhalle von Kravica.

20:00 Uhr: Der Abtransport der bosniakischen Bevölkerung aus Potocari ist abgeschlossen.

13. - 14. Juli 1995: Das Morden geht weiter in Tišca.

14. Juli 1995: Das Morden geht weiter in Orahovac. Der UN-Sicherheitsrat bringt seine „Besorgnis wegen der Zwangsaussiedlung der Zivilisten aus Srebrenica“ zum Ausdruck. Die Internationale Gemeinschaft erklärt ihre „außerordentliche Besorgnis angesichts der verschwundenen Bosniaken“.

14. - 15. Juli: Das Morden geht weiter beim Staudamm Petkovci.

16. Juli: Das Morden geht weiter auf dem Militärgelände von Branjevo und im Kulturzentrum von Pilica. Der Spitze der dezimierten bosniakischen Kolonne gelingt es, bis zum von der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina kontrollierten Gebiet vorzudringen.

17. - 18. Juli: Das Morden geht weiter bei Kozluk und an anderen Orten.

September - 1. November 1995: Serbische Truppen öffnen systematisch (sog. primäre) Massengräber, graben sie um und vergraben die Körper in kleineren (sekundären) Gräbern.

Quelle: SREBRENICA - Erinnerung für die Zukunft, Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung, Seiten: 189, 1. Ausgabe, Mai 2005, ISBN: 9958-9887-9-8

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