Am 10. Februar 2011 debattierte der Deutsche Bundestag über die Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) der EU mit Serbien. Das Abkommen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur angestrebten Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Sollten die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sein, könnte die Europäische Kommission bereits Ende dieses Jahres den Kandidatenstatus und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien empfehlen. Dem Ratifizierungsgesetz für das SAA mit Serbien stimmten alle Fraktionen des Bundestagstags zu, mit Ausnahme der Fraktion DIE LINKE, die gegen sda SAA stimmte.
Sehen Sie hier die Rede von Marieluise Beck als Video .
Lesen Sie hier den Redetext von Marieluise Beck:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Marieluise Beck von Bündnis 90/Die Grünen.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für die Bürgerinnen und Bürger in Serbien kurz festhalten: Die Linke ist der Meinung, dass sie es besser weiß als weite Teile der serbischen Bevölkerung; die serbische Bevölkerung sei im Irrtum, wenn sie in die Europäische Union möchte.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Das haben wir nicht gesagt, Frau Beck! Wir arbeiten nur nicht wie Sie mit Kriegsverbrechern zusammen!)
Sie sorgen dafür, dass sie draußen bleiben. Dass Sie sich damit immer an der Seite von nationalistischen Kräften befinden, ist allerdings ein Problem Ihrer Politik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP – Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Sie sind an der Seite von Kriegsverbrechern! Was sagen Sie zu Herrn Thaci?)
Wir Grünen unterstützen die Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens für Serbien.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Nichts! Schweigen im Walde!)
Allerdings sollten wir nicht darüber hinwegsehen, dass Serbien in der Tat noch einen sehr langen Weg vor sich hat und sich zudem in einer sehr schwierigen innenpolitischen Lage befindet.
Die serbische Regierung tut sehr viel zu Respektierendes. Sie bekennt sich zur EU-Perspektive. Sie bekennt sich zu einer konstruktiven Rolle in der Region. Da ich sowohl 2005 als auch 2010, als Präsident Tadic in Potocari an der Gedenkstätte am 11. Juli aufgetreten ist, dabei war, kann ich sagen, dass das ein sehr bewegender Moment war und dass das für die Menschen und die Opfer von Srebrenica überaus wichtig war.
Es gibt aber eine Spaltung in der serbischen Gesellschaft. Insofern ist Präsident Tadic immer auch geneigt, Konzessionen zu machen, die hochproblematisch sind. Dazu gehört die schwer nachvollziehbare Entscheidung, mit Präsident Dodik gemeinsam Wahlkampf zu machen und sich gemeinsam mit Biljana Plavsic abbilden zu lassen, die die rechte Hand von Radovan Karadzic gewesen ist.
Auch in der Kosovo-Frage ist die serbische Politik nicht eindeutig. Offensichtlich ist der Amputationsschmerz immer noch sehr groß. Viele serbische Menschen sagen, dass es immer noch um die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte geht und um das Verständnis, dass nicht Serbien das Kosovo verspielt hat, sondern dass es Milosevic war, der aggressiv gegen den kosovo-albanischen Teil der Bevölkerung aufgetreten ist und ihnen die Autonomie genommen hat. Dramatische Menschenrechtsverletzungen und eine Apartheidspolitik – all das hat dazu geführt, dass sich das Kosovo letztlich nicht mehr unter das Dach eines gemeinsamen Staates drängen lassen wollte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die ökonomische Situation in Serbien ist unter anderem deswegen so schwer, weil das Milosevic-Erbe auch in ökonomischer Hinsicht noch nicht überwunden ist. Es gibt nach wie vor seine Tycoons, die in der serbischen Wirtschaft deutlich mitmischen. Sie sind es übrigens, die die Wettbewerber aus dem Ausland abwehren, verehrte Frau Kollegin. Diese Tycoons spielen nach wie vor eine zu große Rolle.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Sagen Sie lieber einmal etwas zu Herrn Thaci! Da schweigen Sie!)
Dass die Korruption in Serbien – wie in vielen anderen Ländern des Balkans leider auch – geradezu endemisch ist, hat Präsident Tadic vor kurzem im Europarat selber sehr deutlich betont. Dass der Populist Nikolic das nun für sich zu nutzen weiß, muss uns sehr sorgenvoll machen. Denn er ist, auch wenn er das jetzt behauptet, nicht proeuropäisch. Dass er so deutlich sagt, die Telekom dürfe nicht verkauft werden, weil dann die Österreicher kommen würden, legt den antieuropäischen Geist offen. Er ist und bleibt ein Nationalist.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Weil er gegen Privatisierungen ist? Gegen Ihre Neoliberalisierung?)
Wie gesagt, er findet sich logischerweise auf der Seite Ihrer Argumentation wieder.
Noch ein Punkt, was die Frage der Konditionierung der Beitrittsperspektive anlangt. Wir sollten nicht darauf hoffen, dass es eine biologische Lösung für General Mladic und für Hadzic gibt.
(Beifall der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Wir haben sehr deutlich gesagt, dass Serbien hier eine Bringschuld hat. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass diese beiden Verbrecher in diesem vergleichsweise kleinen Land angeblich nicht zu finden sind. Dass wir immer wieder Angst vor unseren eigenen Konditionen bekommen und, wenn es ernst wird, unter ihnen wegtauchen, halte ich für heikel.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Herrn Kriegsverbrecher Thaci!)
Darüber müssen wir wirklich noch einmal sprechen. Es geht auch um einen aufrechten Gang für unsere Werte.
(Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Aufrecht mit Kriegsverbrechern!)
Entweder man setzt Konditionen oder keine; aber dieses verschwiemelte Wegtauchen ist kein guter Ausweis für unsere EU-Politik.
Schönen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Warum sagen Sie nichts zu Herrn Thaci?)