Am vergangenen Freitag besuchten drei Anti-Atom-Aktivistinnen aus Russland und Belarus Marieluise Beck im Bundestag. Die drei Frauen setzen viel Hoffnung auf die Unterstützung der deutschen Grünen in ihrem Kampf gegen hoch gefährliche Atomanlagen in Russland. Sie hoffen auf das Bewusstsein der Grünen für die grenzübergreifenden Gefahren atomarer Bedrohungen. Zumal Deutschland mit erneuerbaren Energien und Atomausstieg viel Erfahrung und Argumente gegenüber Russland zu bieten sowie als wichtiger Handelspartner Gewicht habe.
Marieluise Beck erklärte ihren Gästen, dass das Thema der atomaren Verseuchung in Russland - abgesehen von Tschernobyl - in Deutschland bisher nur wenigen bekannt sei. Dies gelte selbst für die mit Tschernobyl vergleichbare Katastrophe von Majak, wo bei einem Unfall 1957 riesige Gebiete im südlichen Ural bis zum heutigen Tage verseucht wurden. Marieluise Beck versprach ihnen, sich für Unterstützung aus Deutschland einzusetzen.
Tatjana Nowikowa beschrieb ihren Kampf gegen das erste Atomkraftwerk in Belarus. Die Betonfundamente seien bereits gegossen. Finanzierung, Bau und Betrieb erfolgen durch den russischen Staatskonzern RosAtom. Die Menschen in Belarus lehnten das Projekt mehrheitlich ab. Schließlich ist die Bevölkerung in besonderem Maße von Tschernobyl betroffen. 70% des Fall Out gingen über Belarus nieder. Tatjana Nowikowa warnte, dass das Atomkraftwerk direkt an der Litauischen Grenze nur 70 km von Vilnius entfernt aufgebaut wird. Damit sei auch die EU von den Risiken betroffen. Zudem werde ein neuartiger Reaktortyp errichtet, mit dem es bislang keinerlei Erfahrungen gebe.
Tatjana Nowikowa: "Nur gemeinsam können wir das AKW in Belarus verhindern."
Tatjana Nowikowa mahnte, Deutschland müsse sich endlich im Rahmen der Espoo-Konvention an den Verhandlungen zum AKW beteiligen. Die Konvention schreibt vor, dass bei Projekten mit grenzüberschreitenden Auswirkungen mit den Nachbarstaaten die Umweltverträglichkeit geprüft werden muss.
Olga Podosenowa: "Hinter den Atomanlagen stehen internationale Konsortien. Wir können die Probleme unmöglich lokal lösen. Wir sind auf internationale, grüne Solidarität angewiesen."
Olga Podosenowa aus Jekaterinburg im Ural bat um Hilfe im Kampf gegen neue Atomanlagen in Russland. Zwar sei Siemens aus der Kooperation mit RosAtom ausgestiegen, allerdings seien weiterhin europäische Unternehmen beteiligt. So suche Russland nach Krediten bei europäischen Banken für die Finanzierung seiner Projekte. Dies gelte auch für das geplante AKW in der Enklave Kaliningrad. Dieses AKW sei für die Enklave viel zu groß und klar auf Export in die baltischen Staaten und nach Polen ausgerichtet. Es betreffe ebenso wie das Projekt in Belarus die EU in direkter Nachbarschaft. Die EU solle sich kategorisch gegen Import russischen Atomstroms aussprechen und keine neuen Anlagen in Russland finanzieren.
Swetlana Slobina: "Wir möchten, dass Deutschland Verantwortung für seinen Atommüll in Russland übernimmt."
Swetlana Slobina aus Angarsk in Sibirien berichtete über die atomare Verseuchung ihrer Stadt durch das Atomlager. Die Krebsraten bei Kindern und Jugendlichen seien um ein Vielfaches über dem Durchschnitt. Der Atommüll lagere in Fässern unter freiem Himmel. Das sehr aggressive Hexafluorid greife von innen die Fässer an. Das extreme Klima mit 35 Grad im Sommer und minus 40 Grad im Winter tue sein übriges. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Anlage habe berichtet, dass jährlich ca. 100 Fässer reparaturbedürftig würden, aber nichts geschehe. Swetlana Slobina klagte, dass sie mit ihrer 6000 km von Deutschland entfernten Anlage hier nicht so viel Aufmerksamkeit finde, wie die AKWs in Belarus und Kaliningrad - obwohl der Atommüll aus Deutschland stamme. Er sei offiziell zur Anreicherung nach Angarsk gebracht worden. Nur zehn Prozent seien jedoch nach Deutschland zurückgekehrt. Deutschland solle endgültig Atomtransporte nach Russland verbieten, weil die dortigen Bedingungen unverantwortlich seien.
Marieluise Beck bat ihre Gäste um Verständnis, dass die Grünen als Opposition die hohen Erwartungen nicht sofort erfüllten könnten. Es gehe auch darum, Bewusstsein in Deutschland für die riesigen atomaren Gefahren und Probleme in Russland zu schaffen.