Die Duma-Wahlen haben erwartungsgemäß keine Überraschungen gebracht. So waren sie vom Kreml auch orchestriert. Trotz der Behinderungen von unabhängigen Wahlbeobachtern, sofern es sie überhaupt gab, wurden im ganzen Land Unregelmäßigkeiten festgestellt.
Entscheidend bei einer Wahl sind nicht nur die äußeren Bedingungen am Wahltag, sondern auch die Frage, ob ein politisches Leben zugelassen wird, das den demokratischen Grundrechten entspricht. Angesichts der zunehmenden repressiven Gesetze kann von der Chance auf freien politischen Wettbewerb keine Rede mehr sein.
Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler blieb resigniert vom Urnengang fern. Die historisch niedrige Wahlbeteiligung legt offen, dass die vermeintlich überwältigende Zustimmung für Putin nicht besteht. Dies gilt besonders für die aufgeklärte Stadtbevölkerung in Moskau und St. Petersburg, wo nur 35 Prozent beziehungsweise 32 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen sind.
Es bleibt: Der Duma fehlt jegliche demokratische Legitimation. Das sollte allen bewusst sein, die der russischen Regierung und der Duma gegenübertreten.
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Rahmenbedingungen, unter denen die Dumawahlen 2017 stattfanden
* Registrierung von Oppositionellen und unabhängigen politischen Kräften
Die „ Fortschrittpartei“ des bekanntesten Oppositionellen Alexej Nawalny ist nicht registriert worden.
92 Prozent der unabhängigen Kandidaten, die an der Wahl für die Direktmandate teilnehmen wollten, sind nicht registriert worden. Nur 23 von über 300 Personen haben das geschafft.
* Verlegung des Wahltermins
Die Wahlen wurden um drei Monate vorgezogen. Dadurch hat sich der Wahlkampf - zum Nachteil der Opposition - stark verkürzt (bis Ende August war wegen der Sommerferien kaum Wahlkampf möglich).
* Verdrängung von unabhängigen kritischen Stimmen aus dem öffentlichen Raum
Der Raum für kritische Meinungsäußerungen in den Medien wird immer kleiner. Seit den Parlamentswahlen 2011 hat der Kreml laut „Reporter ohne Grenzen“ in mindestens zwölf Fällen regierungskritische Redaktionen zerschlagen und die Finanzierungsgrundlage unabhängiger Medienunternehmen zerstört. In den staatlich-kontrollierten Medien wird gegen die Opposition gehetzt.
Die Demonstrationsgesetze wurden mehrmals verschärft. Strafen für Zuwiderhandlungen gegen die regelmäßig ausgesprochenen Demonstrationsverbote wurden deutlich angehoben.
Mit der jüngsten Einstufung des Lewada-Zentrums – des einzigen unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Russlands – als „ausländischer Agent“ unterdrückt der Kreml bereits die Erfassung eines objektiven Stimmungsbildes aus der Gesellschaft. Die Existenz der renommierten Institution ist akut bedroht.
* Einsatz sog. „administativer Resoursen“
Vertreter der Exekutive auf allen Ebenen nutzten exzessiv ihre organisatorischen und finanziellen Ressourcen, um die Kreml-Partei „Einiges Russland“ im Wahlkampf zu unterstützen.
* Wahlbeobachtung
Die Möglichkeiten für eine unabhängige Beobachtung durch landeskundige russische Wahlbeobachter wurden drastisch eingeschränkt. Die Assoziation „Golos“, die sich für den Schutz von Wählerrechten und Wahlbeobachtung einsetzt, wurde von den Behörden geschlossen und muss nun als nicht registrierte Wahlbeobachterbewegung arbeiten.
Die OSZE schickte zwar fast 500 internationale Wahlbeobachter, deutlich mehr als bei früheren Wahlen. 420 davon waren jedoch nur wenige Tage vor Ort und konnten lediglich beobachten, wie der Wahltag verlief.
* Symbolische Schritte um Protestpotenzial einzudämmen
Um das Potenzial für Proteste wie bei den Massendemonstrationen gegen Wahlfälschungen 2011-2012 einzudämmen, wurden einige symbolische Schritte unternommen. Diese bedeuten aber in keiner Weise, dass der Kreml die tatsächliche Kontrolle über die Wahlen aus der Hand gibt. So wurde z.B. die Sperrklausel von 7 auf 5 Prozent abgesenkt und Direktmandate eingeführt. Diese Schritte haben sich nicht zu Lasten von „Einiges Russland“ ausgewirkt. Im Gegenteil: „Einiges Russland“ hat die überwiegende Anzahl der Direktmandate erhalten und damit eine für Verfassungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit erreicht. Die beiden (im Gegensatz zu den Kreml-treuen Kommunisten und Nationalliberalen) echten Oppositionsparteien -„Jabloko“ und „Parnas“- scheiterten an der 5 Prozent-Klausel.