Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Rede beim Europarat zum Magnitskij-Bericht

Am 28. Januar 2014 diskutierte die Parlamentarische Versammlung des Europarats einen Bericht des Schweizer Delegierten Andreas Gross zum Fall Sergej Magnitskij. Der russische Wirtschaftsprüfer starb 2009 in einem russsichen Gefängnis, nachdem er einen millionenschweren Betrug durch Mitarbeiter russischer Steuerbehörden aufgedeckt und angezeigt hatte, dann aber selbst in Haft kam. Wie Andreas Gross in seinem Bericht zeigt, musste Magnitskij im Gefängnis sterben, weil ihm die nötwendige medzinische Betreuung nach seiner Erkrankung versagt wurde.

Sehen Sie hier die Rede von Mareluise Beck in der Debatte über den Magnitskij-Bericht:

Lesen Sie hier den Redetext nach:

Schönen Dank, Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Andreas Gross ist ein sehr besonnener und vorsichtiger Kollege. Wir wissen alle, dass er eine enge Verbindung nach Russland hat. Deswegen ist es umso ernster zu nehmen, dass er so deutlich, klar und ungeschminkt eine alptraumartige Geschichte erzählt.

Ein Mann, der an sein Land glaubt, der nicht glauben kann, dass es in seinem Land möglich ist, dass Steuerbeamte, Beamte aus einem Innenministerium, gedeckt durch die Justiz den Staat bestehlen können, zeigt dieses an. Dieser Mann wird abends abgeholt und findet sich in Untersuchungshaft wieder. Er darf nie wieder mit seiner Familie sprechen - ein Jahr lang, bis zu seinem Tod, darf er nicht mit seinem siebenjährigen Sohn sprechen. Er wird unter immer schlechteren Bedingungen von einer Haftanstalt in die andere transportiert, wird schließlich krank und ist nach einem Jahr tot.

Diese unglaubliche Geschichte wird noch atemberaubender, wenn man sich klarmacht, dass diejenigen, die die Entscheidungsmacht hatten, niemals zur Verantwortung gezogen worden sind, sondern ihnen im Gegenteil immer die Möglichkeit gelassen wurde, ihrerseits Magnitskij juristisch zu verfolgen. Diese Verfolgung wird bis heute fortgesetzt – Magnitskij wurde sogar posthum noch verurteilt, was eigentlich gar nicht möglich ist. Für diese Strafverfolgung sind jene Personen verantwortlich, deren Namen man kennen würde, wenn man nur wollte. Wenn Russland sich engagieren und die sieben Staaten, die die fraglichen Geldströme bereits verfolgen, unterstützen wurde, so würden die Spuren zu jenen Namen führen, die Magnitskij bereits genannt hatte, denn er hatte ein sehr klares Bild davon, wer an diesem Betrug beteiligt gewesen sein muss.

Ich sage hier sehr deutlich: Magnitskij war ein Whistleblower. Wir haben einen Whistleblower aus dem Westen, der in Russland geschützt wird (meine Partei hätte sich gewünscht, wir hätten ihm in Deutschland Aufenthalt gegeben) - aber wie geht Russland mit seinen eigenen Whistleblowern um?

Wenn man sich überlegt, mit welchem Mut Navalny Korruption, Enteignung und Diebstahl in Russland bereits öffentlich auf den Grund geht, dann fürchte ich, dass wir uns hier in einigen Monaten mit dem Fall Navalny befassen werden, wenn es nicht eine Entscheidung zur Einkehr gibt.

Das Tragische ist, dass dieser Fall hier im Hause bekannt war, als Magnitskij noch lebte. Diese Versammlung hat Magnitskij nicht schützen können. Das bedeutet auch einen dramatischen Verfall unserer Autorität.

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