Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Erklärung von MEMORIAL zu den Angriffen Kadyrows auf die Arbeit des Menschenrechtszentrums in Tschetschenien

Am Mittwoch, 30. Mai, fand im Gebäude der Stadtverwaltung in Gudermes ein Treffen des Präsidenten der Tschetschenischen Republik, Ramsan Kadyrow, mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen statt. An dem Treffen nahmen etwa 30 Menschen teil. Besprochen wurden verschiedene Probleme: die Verbesserung der Infrastruktur in den Bergregionen, die Organisation der Suche nach verschwundenen Menschen, die Entführung von Menschen durch Polizei-, Militäreinheiten und den Geheimdienst, der Abriss von Schwarzbauten in Grosny.

Im Laufe des Treffens kritisierte Ramsan Kadyrow das Menschenrechtszentrum Memorial scharf, das, nach seinen Worten, unbegründete Gerüchte verbreite, um die Führung des Republik zu diskreditieren. In erster Linie bezogen sich diese Anschuldigungen auf das Eintreiben von Zwangsspenden für die Achmad-Kadyrow-Stiftung.

Es ist tatsächlich so, dass sich Menschen, darunter Feuerwehrmänner aus Grosny, mit der Klage über solche Zwangsabgaben an Memorial gewandt haben. Von den Feuerwehrmännern forderten ihre Vorgesetzten die Zahlung großer Geldsummen „in die Stiftung“, andernfalls würden sie ihre Jobs verlieren. Memorial hat die Klagen der Feuerwehrleute unter anderem direkt an Ramsan Kadyrow weiter geleitet. Im Ergebnis enthod Kadyrow den stellvertretenden Republiksminister für Katastrophenschutz seines Postens. Später erwähnte er diese Absetzung in öffentlichen Reden sogar als Beispiel seiner Antikorruptionspolitik.

Worin bestehen dann die Vorwürfe gegen Memorial?

Kaum weniger Verwunderung rufen die Behauptungen Kadyrows hervor, Memorial wolle „die Republiksführung diskreditieren“ und „die Situation in der Republik nur in den schwärzesten Farben malen“. Gerade Memorial hat in den vergangenen Monaten mehrfach auf positive Veränderungen inTschetschenien hingewiesen. Das betrifft vor allem der starken Rückgang von Entführungen seit Januar diesen Jahres.

Genauso grundlos wird Memorial beschuldigt, die Situation in der Tschetschenischen Republik destabilisieren zu wollen. Unsere Organisation hat in den vergangenen Jahren den Bewohnern der Republik Rechtshilfe geleistet, Informationen über Kriegsverbrechen über „Säuberungen“, über das „Verschwinden“ von Menschen, über Folter, über ungesetzliche Gefängnisse und über die Fabrizierung von Strafverfahren gesammelt und veröffentlicht.

Das Bild, dass sich aus diesen Berichten zusammensetzt, ist natürlich nicht so schön, wie, sagen wir, das der Staatsanwaltschaft. Aber es hat einen großen Vorzug: es ist nicht aufgeschönt. Wir stellen uns mit unserer Arbeit gegen Menschenrechtsverletzungen und wirken für die Wiederherstellung von Rechten. Diese Arbeit aber kann nur zur Wiederherstellung des gesellschaftlichen Friedens und der Stabilität auf der Grundlage des Gesetzes beitragen. Wir streben stets einen konstruktiven Dialog mit der Staatsmacht an.

Das Menschenrechtszentrum Memorial will diese Kurs auch künftig fortsetzen.

Thema: