Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Kosovo: Unabhängigkeit ist unvermeidlich

Zum Bericht der Kosovo-Troika an den UN-Generalsekretär erklären Marieluise Beck und Jürgen Trittin, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:

Europa steht vor der Unabhängigkeit des Kosovo. Die EU hat nur die Alternative, diesen Prozess koordiniert zu gestalten oder ihm seinen Lauf zu lassen. Sie wird sich für das Erstere entscheiden. Europa wird sich am Kosovo weder durch die USA noch durch Russland spalten lassen. Angesichts der Unvereinbarkeit der Verhandlungspositionen wird es keine Sicherheitsratsentscheidung geben. Sehr wahrscheinlich wird der Kosovo sich im ersten Quartal 2008 für unabhängig erklären. Im Gegenzug zur Anerkennung durch EU und USA werden die Kosovaren die zentralen Elemente des Ahtisaari-Plans zum Schutz der Minderheiten und der serbischen Kulturgüter in der Verfassung verankern.

Angesichts möglicher Reaktionen auf eine Unabhängigkeitserklärung ist die UN-mandatierte militärische KFOR-Mission weiterhin notwendig - gerade zum Schutz serbischer Enklaven und anderer Minderheiten. Sie wird auf der Basis der weiter geltenden Sicherheitsratsresolution 1244 fortgesetzt. Perspektivisch sind hier jedoch mehr  polizeiliche und weniger militärische Fähigkeiten gefragt. Die Übernahme der internationalen zivilen Präsenz von UNMIK durch die EU wird vorbereitet. Notwendig ist hierfür eine Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen.

Serbien hat offiziell ausgeschlossen, auf eine Unabhängigkeitserklärung militärisch zu reagieren - ungeachtet anderer Stimmen. Mit Aktionen durch Provokateure und Agenten ist jedoch zu rechnen. Niemand - auch nicht auf serbischer Seite - rechnet mit einem Massen-Exodus der Kosovo-Serben. Allerdings wird der Nord-Kosovo sich von Pristina lossagen. Damit kann sich vorder Haustür der EU ein "frozen conflict"entwickeln.

Innerhalb Serbiens ist mit einer Verschärfung der Lage bis hin zur Ausrufung des Ausnahmezustands zu rechnen. Der Annäherungsprozess an die EU würde damit behindert. Deshalb ist das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wie eine offenere Visumspraxis der EU gegenüber Serbien essentiell.

Die einseitigen Versuche der Serben nach Lösung der Republika Srpska aus dem bosnischen Staatsverbund werden sich verstärken. Die gemeinsame EU-Perspektive wirkt dem jedoch entgegen. Es ist zu hoffen, dass diese Perspektive insgesamt bei der weiteren Stabilisierung der Region hilft. Europa hat hier eine große Herausforderung zu bestehen und braucht Einigkeit.

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