Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Rede beim Europarat zu Belarus

Am 27. Januar 2011 diskutierte die Parlamentarische Versammlung des Europarats in einer Dringlichkeitsdebatte über die Lage in Belarus. Nach der Fälschung der Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember 2010 kam es zur brutalen Niederschlagung von Protesten, bei denen rund 700 Menschen verhaftet und zu mehreren Tage Haft verurteilt wurden. Bis heute sitzen über 30 Personen im KGB-Gefängnis, unter ihnen 4 Oppositionskandidaten. Ihnen wird der Aufruf zu Massenunruhen vorgeworfen, was mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden kann. Die ersten Schauprozesse werden im Februar erwartet.

Seit dem 19. Dezember geht das Regime in Minsk zudem in einem Rundumschlag mit Verhaftungen, Durchsuchungen, Verhören und Beschlagnahmungen gegen jegliche Opposition in Belarus vor.

Im Anschluss an die Debatte verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarats eine Resolution zu Belarus. Einen Hinweis auf den Resolutionstext finden Sie am Ende des Textes. Lesen Sie hier den Redebetrag von Marieluise Beck:

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte für die Gruppe ALDE der Berichterstatterin danken.

Ich möchte daran erinnern, dass wir nicht zum ersten Mal über Weißrussland sprechen. In den Jahren 1999 bis 2001 verschwanden in Minsk 4 Menschen. Ich möchte auch ihre Namen nennen, damit sie wieder ein Gesicht bekommen: Juri Sacharenko, Viktor Gontschar, Anatoli Krasowski und Dimitri Sawatzki.

Schon vor sieben Jahren hat unser Kollege Pourgourides für den Europarat festgestellt, dass die Spuren des Verschwindenlassens dieser vier Menschen in das Zentrum des Regimes Lukaschenko führten. Wir haben also immer gewusst, mit wem wir es zu tun haben, auch bei der Politik des Dialogs.

Wie nach den Wahlen 2006, als Lukaschenko den Gegenkandidaten Alexander Kasulin zu 5 Jahren Haft verurteilen ließ. Auch in diesem Jahr sind die Gegenkandidaten wieder verfolgt und verhaftet worden. Nach wie vor überziehen die Verhaftungen das Land. Ich habe heute erfahren, dass man jetzt, nachdem Minsk „gesäubert“ worden ist, in die Regionen geht. Es geht um die Reste der freien Presse, um Menschenrechtsinitiativen, und auch um frei denkende Kulturschaffende.

Offensichtlich geht es Lukaschenko darum, die gesamte Opposition in Weißrussland zu zerschlagen. Der Generalstaatsanwalt in Minsk behauptet, die Haftbedingungen würden den gesetzlichen Bestimmungen des weißrussischen Staates entsprechen, das ist aber falsch. Die Anwälte berichten uns, dass seit Ende Dezember kein Kontakt mehr zu den Häftlingen besteht, auch nicht für ihre Familien. Uns erreichte jetzt von Nikolai Statkevichs Tochter ein Hilferuf: ihr Vater ist seit 38 Tagen in Hungerstreik, und es gibt keinen Zugang zu ihm.

Wir wissen also nicht, in welcher Verfassung die Häftlinge sind. Wir kennen nur die Entschlossenheit von Lukaschenko, ihnen zu schaden. Deswegen sind wir in einem Wettlauf mit der Zeit begriffen. Ich möchte mich in diesem Fall an die russischen Kollegen wenden: Sie haben noch Zugang zum Regime Lukaschenko.

Es ist auch von Russland deutlich in Wahlkampf eingegriffen worden. Vom russischen Staatsfernsehen aus hat es Propagandafilme gegen Lukaschenko gegeben. Ich weiß, dass Kandidaten, auch Freunde von mir, von russischer Seite hochrangig empfangen und unterstützt worden sind. Diese Menschen, die auch auf Moskau vertraut haben, sitzen jetzt in KGB-Gefängnissen.

Deswegen möchte ich Sie dringlich auffordern: Bitte nutzen Sie die Kanäle, die Sie noch haben müssen, denn Ihr Präsident hat am 25. Dezember Lukaschenko zur Wahl gratuliert. Nutzen Sie diese Kanäle, um eindringlich auf Lukaschenko einzuwirken, dass diese Menschen aus der Haft entlassen werden. Ich habe wirklich Angst um ihr Leben.

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Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu Belarus

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