Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Der Weg nach Europa ist lang

Herausforderungen am westlichen Balkan / Hochkarätig besetzte Veranstaltung in Bremen zur EU-Erweiterung

Aus dem Weser-Kurier von Arndt Möhlmann

BREMEN. Das gescheiterte Referendum in Irland zum Vertrag von Lissabon hat die Frage nach einem möglichen Stopp der EU-Erweiterung stark aufleben lassen. "Eine offene Diskussion mit allen Parteien führt zum Ziel, alle Balkanstaaten in die EU aufzunehmen", lautete die Prognose von Professor Hagen Lichtenberg von der Universität Bremen auf einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Themenkomplex "Aktuelle und künftige Herausforderungen am westlichen Balkan".

Das Internationale Netzwerk für Europastudien (INES) hatte in Zusammenarbeit mit dem EuropaPunktBremen in die Bremische Bürgerschaft geladen. Bremens ehemaliger Bürgermeister Hans Koschnick schilderte seine vielfältigen Erfahrungen auf dem Balkan. Koschnick war von Juli 1994 bis März 1996 EU-Verwalter in der herzegowinischen Stadt Mostar und maßgeblich an der Aufbau- und Stabilisierungsarbeit in Bosnien-Herzegowina beteiligt. Von November 1998 bis zur Abschaffung des Amtes Ende 1999 war er Bosnien-Beauftragter der Bundesregierung.

Die Aufbauarbeit sei schwierig gewesen, aber habe sich auf jeden Fall gelohnt. Zweimal habe es Mordanschläge auf ihn gegeben. "Wichtig bei der Arbeit war zu wissen, was in den Köpfen der Leute vorgeht und nicht, was in den Akten steht", schilderte Koschnick.

Neben Koschnick brachte auch Bremens grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck ihre Erlebnisse mit ein. Von 1991 bis 1994 gehörte sie der Bremischen Bürgerschaft an. In dieser Zeit rief sie die Hilforganisation "Brücke der Hoffnung" für Bosnien mit ins Leben. Beck skizzierte die Lage der sieben Teilrepubliken, die aus dem Zerfall Jugoslawiens hervorgegangen sind. Nur Slowenien ist bereits EU-Mitgliedsstaat. Kroatien sei auf einem guten Wege, weil klare politische Strukturen im Land gegeben seien.

"Ein Rechtsstaatsaufbau ist enorm wichtig und die zentrale Zugangsberechtigung für einen EU-Beitritt. Für den Aufbau von Institutionen ist qualifiziertes Personal unverzichtbar", nannte Beck die fehlenden Punkte der übrigen Balkanländer auf dem Weg nach Europa. Ein weiterer Faktor liegt der Politikerin besonders am Herzen: die Visumserleichterung für Bürger und Bürgerinnen vom Balkan. "Die Jugendlichen sollen die Elite der Zukunft sein. Da kann es nicht sein, dass sie im eigenen Land eingesperrt werden und nicht frei ausreisen dürfen", so Beck.

Zur Lage im Kosovo hielt Hamdi Reqica, Doktorand an der Universität Bremen, zum Aspekt "Kosovo - was kommt nach der Unabhängigkeit?" einen Vortrag. Am 17. Februar dieses Jahres erklärte Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien. Die kosovarische Verfassung trat am 15. Juni 2008 in Kraft. Ein EU-Beitritt habe die höchste Priorität für den Kosovo.

Doch der Weg dahin ist noch weit. Die ökonomische Situation im Land ist schlecht. Der Wunsch nach Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität ist nur Schritt für Schritt zu realisieren. Mit der sogenannten EULEX-Mission will die EU zur Stabilisierung des Kosovo beitragen. Dabei steht der Aufbau von Polizei und Zoll über Justiz bis hin zu Verwaltung im Vordergrund.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion ging es insbesondere um die Frage, ob eine EU-Erweiterung auch ohne den Vertrag von Lissabon möglich sei. "Durch das Nein in Irland ist der Prozess erst einmal gebremst. Doch ich sehe den Europäischen Integrationsprozess nicht nachhaltig gefährdet. Der Balkan wird Schritt für Schritt integriert werden. Davon bin ich überzeugt", merkte Lichtenberg an.

Die momentane Verschnaufpause in Europa sei auch eine Chance für die Balkanländer. Die Zeit müsse genutzt werden, um sich auf eine gemeinsame Lösung der bestehenden Probleme zu verständigen - nur so sei auf Sicht ein Beitritt möglich, erklärte der Bremer Balkan-Experte.