Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Europarat: Rede zu Russland zwischen den Wahlen

Am 26. Oktober 2012 diskutierte die Parlamentarische Versammlung des Europarats in einer Aktualitätsdebatte über Russland zwischen den Wahlen. Marieluise Beck warnte in ihrer Rede davor, den Unmut der russischen Bevölkerung zu ignorieren. Leider weise bereits jetzt einiges darauf hin, dass auch die kommenden Präsidentschaftswahlen nicht entsprechend demokratischer Standards abgehalten werden sollen.

Sehen Sie hier die Rede als Video (folgt).

Lesen Sie hier den Redetext:

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sollten uns die ernsthaften Worte des Kollegen Gross wirklich zu Herzen nehmen. Sie haben sehr gut geschildert, dass Russland wirklich an einem Scheideweg steht und sich in einer gefährdeten Situation befindet, und dass das System Putin dann nicht mehr Stabilität, sondern eine wirkliche Gefahr für den inneren Frieden darstellen würde.

Denn Menschen lassen sich nicht gerne betrügen und Wahlen müssen frei sein von Betrug, und zwar nicht nur während des Wahltages, sondern auch vorher und nachher – auch das gehört zu freien Wahlen. Das Vorher bedeutet Zulassung von Opposition und Chance für Kandidaten, durch Stimmabgabe die Machthaber auch tatsächlich von ihrer Macht zu vertreiben.

Präsident Putin hat jetzt bekanntgegeben, dass in den Wahllokalen 180 000 Webkameras aufgestellt werden sollen. Doch Kameras lassen sich überlisten – im Gegensatz zu Menschen.

Wie passt denn das Versprechen, man wolle für Transparenz sorgen, damit zusammen, dass Golos nicht nur am 2. Dezember eine Strafverfügung bekommen hat, weil die Organisation die Karte der Verstöße im Internet veröffentlicht hat, sondern dass ihr jetzt gar die Räume gekündigt worden sind, und zwar mit der Begründung, vom 26. Februar bis zum 6. März, also genau in der Zeit der Wahlen, müsse dort der Strom abgestellt werden!

Das heißt, unabhängige Wahlbeobachtung durch russische Bürgerinnen und Bürger selbst ist nicht gewollt, und wir mit unseren 40 oder 80 Mandaten können nicht 90 000 Wahllokale besichtigen. Dies ist also bereits der erste Beweis, dass jetzt schon wieder verhindert wird, dass es bei den Wahlen Transparenz gibt.

Nun zu der Zulassung von Kandidaten: Von Herrn Jawlinskij ist gerade gesprochen worden. Innerhalb von drei Wochen in einem riesigen Land mit 9 Zeitzonen 2 Millionen Unterschriften zu sammeln, ist kaum vorstellbar.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat, wie bei der Auflösung der Republikanischen Partei oder der Nichtanerkennung von Parnas, der russischen Regierung immer wieder gesagt, dass die Hürden für die Zulassung von Oppositionskandidaten zu hoch sind.

Wir haben also bereits zwei Hinweise, dass auch bei diesen Wahlen nicht verstanden wurde, was die Bürgerinnen und Bürger auf der Straße den Machthabenden gezeigt haben, nämlich, dass sie das Recht haben wollen, zu wählen, so wie es in demokratischen Staaten notwendig ist. Es geht um den Einschluss, nicht den Ausschluss der Bürger. Wenn dieser Ausschluss noch einmal stattfindet, haben sie nur noch die Möglichkeit, auf die Straße zu gehen. Das aber ist ein sehr gefährlicher Weg.

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