Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Eine europäische Perspektive für das Kosovo

Mit dem Antrag vom 22. November 2006 fordern Marieluise Beck und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Der Status des Kosovo muss unverzüglich geklärt werden.

Seit 1999 ist das Kosovo ein UN-Protektorat. Die jahrelange Debatte um den zukünftigen Status des Gebietes überlagert und hemmt die Entwicklung. Aber die Verhandlungen darüber zwischen Serbien und dem Kosovo unter UN-Vermittlung sind gescheitert. Eine Verhandlungslösung ist nicht mehr zu erwarten.

Die Erwartung einer schnellen Entscheidung des UN-Sicherheitsrates zum zukünftigen Status wächst im Kosovo. Die internationale Kontaktgruppe, zu der neben den USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich und Italien auch Deutschland gehört, hatte den Kosovo-Albanern noch für dieses Jahr eine Klärung zugesagt.

Aber schon vor Monaten mussten die Verhandlungen darüber zwischen der serbischen Regierung und der Selbstverwaltungs-Regierung des Kosovo abgebrochen werden. Der UN-Vermittler Martti Ahtisaari sieht keine Kompromißmöglichkeit, auf die sich beide Seiten einigen könnten. Nach seiner Einschätzung habe sich die serbische Seite nicht genügend bewegt. Deshalb will er nun einen eigenen Kompromißvorschlag vorlegen, über den der UN-Sicherheitsrat befinden muss.

Die Positionen sind unversöhnlich: die Kosovo-Albaner verlangen nach der langen Geschichte ihrer Unterdrückung im Jugoslawien des Präsidenten Milosevic eine klare und endgültige Trennung von Serbien. Die serbische Seite beharrt auch nach dem Sturz von Milosevic und der faktischen Abtrennung des unter UN-Verwaltung stehenden Kosovo nach wie vor auf dessen Zugehörigkeit zu Serbien. Dies wurde erst im November wieder in einer neuen serbischen Verfassung festgeschrieben. In einem Referendum über diese Verfassung hat sich die Regierung diese Position bestätigen lassen. Allerdings war die Beteiligung der Albaner im Kosovo daran gar nicht erst vorgesehen.

Unter diesen Umständen ist eine einvernehmliche Verhandlungslösung nicht zu erwarten. In Serbien werden nun Neuwahlen geplant, bei denen die derzeitige Regierung einen Sieg der extrem nationalistischen Radikalen Partei befürchtet, wenn ihr die Verantwortung für den Verlust des Kosovo angelastet werden kann. Deshalb fordert sie eine Verschiebung der Entscheidung.

Gleichzeitig leidet die Entwicklung sowohl im Kosovo als auch in Serbien unter der ungeklärten Situation. Für beide Seiten ist sie Teil einer politischen Lähmung: die Albaner betrachten die UN-Hoheit über das Kosovo zunehmend eher als Besatzung denn als Schutz vor Serbien, die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, die sozialen Spannungen nehmen zu. Deshalb drängen UNMIK, die UN-Verwaltung im Kosovo, und die OSZE auf eine Klärung der Statusfrage. In Serbien wird die Forderung nach der Zugehörigkeit des Kosovo zum Instrument der Nationalisten, sich der Aufarbeitung der serbischen Verantwortung für die Kriege im zerfallenen Jugoslawien zu verweigern.

Unabhängigkeit bei eingeschränkter Souveränität

Deshalb haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun einen Antrag im Bundestag eingebracht, in dem eine unverzügliche Entscheidung gefordert und ein Katalog von Maßnahmen zur weiteren Stabilisierung der Entwicklung vorgeschlagen wird. Die Entscheidung über den zukünftigen Status muss eine Unabhängigkeit des Kosovo ermöglichen. Angesichts der unvereinbaren Positionen Serbiens und des Kosovo sowie der nach wie vor gravierenden politischen, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Defizite im Kosovo ist eine solche aber nur mit Einschränkungen möglich: eine internationale sicherheitspolitische Präsenz, die jetzt von den UN-mandatierten KFOR-Truppen wahrgenommen wird, bleibt notwendig., ebenso eine zivile Aufsicht über die politische Entwicklung des Landes. Hierbei geht es vor allem um die Situation der  Minderheiten -  der Serben, Roma, Ashkali und weiterer Gruppen. Rechte und Schutz der Minderheiten müssen nicht nur festgeschrieben, sondern ihre Umsetzung auch garantiert werden.

Die Perspektive für das Kosovo kann – wie für den gesamten westlichen Balkan – nur der Beitritt zur EU sein. Diese Aussicht ist eine Bedingung für eine nachhaltige politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, auf dem die EU weitreichende Unterstützung leisten muss.

Lesen Sie hier den Antrag der Grünen Bundestagsfraktion Eine europäische Perspektive für das Kosovo .

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