Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Offener Brief zu den Lippenbekenntnissen des Petersburger Dialogs

An die Vorsitzenden der Lenkungsausschüsse des Petersburger Dialogs: Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Dr. h. c. Lothar de Maizière

Sehr geehrter Herr Gorbatschow, sehr geehrter Herr de Maizière,

es ist nun zwei Wochen her, dass der große russisch-deutsche Dialog zu Fragen von Wirtschaft, Medien, Demokratie und Menschenrechten in Dresden stattgefunden hat. Dieses Treffen fand große Beachtung und wurde als ein Schritt auf die offenere Debatte zwischen deutschen und russischen Vertretern und Vertreterinnen ihrer Länder gesehen.

Dieser 6. Petersburger Dialog hatte auch ein Forum: Zivilgesellschaft. In diesem Forum kamen russische Bürgerrechtler und deutsche NGO Vertreter zu Wort, das Forum war sehr offen und hielt in einer gemeinsamen Schlussresolution fest, dass zivilgesellschaftliches Leben eine conditio sine qua non für freie und damit prosperierende Gesellschaften sind.

Dieses Ergebnis wurde Präsident Putin im Beisein der Bundeskanzlerin vorgetragen und nicht in Frage gestellt.

Umso erstaunter bin ich nun über folgende Entwicklung:

Am 10. Oktober 2006, also zeitgleich zum Petersburger Dialog, stellte die Staatsanwaltschaft von Nishni Nowgorod der Antrag auf Liquidierung der Gesellschaft für russisch-tschetschenische Freundschaft, da sich diese nicht von ihrem wegen „Förderung des Extremismus“ verurteilten Vorsitzenden distanziert habe. Dem Antrag wurde inzwischen  statt gegeben.

Bis zum Auslaufen der Frist am 18. Oktober 2006, also wenige Tage nach dem Petersburger Gipfel, wurde für über 90 ausländische Nichtregierungsorganisationen, darunter Amnesty International und Human Rights Watch, die Registrierung nicht fristgerecht bearbeitet. Mehrfach hat die Registrierungsbehörde absichtlich für Verzögerungen gesorgt, damit NGOs ihre den Machthabenden unliebsamen Tätigkeiten einstellen müssen.

Lippenbekenntnisse und Realität könnten kaum mehr auseinanderklaffen als zwischen den scheinbaren Gemeinsamkeiten des Petersburger Dialogs und dem faktischen Handeln des russischen Staates.

Der Petersburger Dialog wird deutlich entwertet, wenn außer wohlfeilen Artigkeiten keine realen Umsetzungen erfolgen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, gegenüber dem Präsidenten Putin das Unverständnis zum Ausdruck zu bringen, was ein solches, demokratische Aktivitäten behinderndes, Gebaren der russischen Bürokratie bedeutet.

Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck, MdB

Thema: