Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Praktikum bei einer Bundestagsabgeordneten

Wie läuft eigentlich ein Praktikum im Deutschen Bundestag bzw. bei einer Abgeordneten ab? Welche Dinge kann man lernen, welche Erfahrungen gewinnen? Um eine gute Einschätzung zu bekommen, scheint es sinnvoll, den PraktikantInnen das Wort zu geben - in diesem Fall mit einem Praktikumsbericht:

von Thorsten Behrendt aus Dresden

Berlin, 18.03.2008

Praktikumsbericht

Vom 18. Februar bis 16. März 2008 absolvierte ich ein Praktikum im Abgeordnetenbüro von Marieluise Beck, Bündnis 90 / Die Grünen.

Ich hatte mich bei Frau Beck aufgrund ihrer Arbeitsschwerpunkte als Außenpolitikerin beworben. Der Balkan, Belarus, Russland und Zentralasien interessieren mich persönlich sehr; gleichzeitig weisen diese außenpolitischen Themen einen engen Bezug zu den Inhalten meines Studiengangs „Internationale Beziehungen“ auf. Im Praktikum konnte ich so erstmals erfreut feststellen, dass die Theorie des Studiums auch praktisch Anwendung finden kann.

Doch zu Beginn hatte ich nur eine sehr geringe Vorstellung von dem, was mich während der vier Wochen eigentlich erwarten würde. Ich verspürte Vorfreude und Neugier auf das Kommende, gepaart mit einer gewissen Ehrfurcht vor der gesetzgebenden Gewalt, als ich das erste Mal das Abgeordnetenhaus Unter den Linden 50 betrat.

Im Büro arbeiten insgesamt vier Mitarbeiter/innen, die koordinieren, organisieren und Marieluise Beck, wo es nur geht, unterstützen. Ein sehr spannender und abwechslungsreicher Job, bei dem aber auch - zumindest während der Sitzungswochen - Flexibilität, schnelles Handeln und Stressresistenz gefragt sind. Das Büro fungiert gleichzeitig als Verbindungsstelle zum Wahlkreis in Bremen, ist Koordinationsstelle für die parlamentarische Arbeit von Marieluise Beck und der erste Anlaufpunkt für die Medien.

Jedes Abgeordnetenbüro arbeitet anders. Im Büro von Marieluise Beck herrscht ein offenes und sehr herzliches Arbeitsklima, was es mir einfach machte, mich einzugewöhnen.  Allerdings war es hier und da auch ein wenig chaotisch und während der Sitzungswochen (in meinem Fall drei von vier) gab es manchmal kaum Zeit, um meine Aufgaben zu besprechen. Es war also auch ein gewisser Grad an Selbstständigkeit und Eigeninitiative gefragt. Auf meine häufigen Fragen bekam ich dann aber immer ausführliche und zufriedenstellende Antworten. 

Auch wenn manchmal vielleicht zu viel los war – für mich war der Zeitpunkt meines Praktikums sicherlich ein Glücksfall: Es passierten politisch höchstinteressante Dinge wie z.B. die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos, die Präsidentschaftswahlen in Russland und das 25-jährige Jubiläum der Grünen im Bundestag. In ihrer Rolle als Balkan- bzw. Russlandexpertin sowie als einzige Grüne, die von der Bundestagsfraktion von 1983 noch „übrig geblieben“ ist, war Marieluise Beck in diesen Wochen eine - besonders von der Medienwelt - sehr gefragte Person. Die Fülle von Eindrücken war gerade am Anfang sehr hoch und ich versuchte so viel wie möglich mitzunehmen. Die Bereitschaft, jeden Abend noch eine der vielen interessanten Veranstaltungen zu besuchen, ließ mit der Zeit aber verständlicherweise etwas nach. Insgesamt hätte ich gerne noch einige Wochen drangehängt, aber auch so bekam ich tiefe Einblicke in die Arbeit eines Abgeordnetenbüros, die Partei und das Parlament allgemein.

Nun aber zu den konkreten Inhalten meines Praktikums.

Nachdem ich mich an meinem ersten Tag vorgestellt hatte und stolzer Besitzer eines Hausausweises geworden war, konnte es losgehen. Meine erste Aufgabe, die mich während des ganzen Praktikums begleitete, war das Sortieren der Post. Es ist erstaunlich, wie viel Post und Einladungen eine Abgeordnete jeden Tag bekommt. Daher ist es wichtig, nur die wirklich relevanten Sachen an Marieluise Beck weiterzugeben; neunzig Prozent landet im Papierkorb.

Während meiner ersten Woche arbeitete ich u.a. an einem Essay zum Konzept der defekten Demokratie. Dabei bezog ich mich auf eine aktuelle Studie der Bertelsmannstiftung, die mithilfe eines Indexes den Entwicklungs- und Transformationsstand von 119 Staaten analysiert und ein Ranking aufstellt. Außerdem erledigte ich Büroarbeiten wie das Verschicken von Autogrammkarten, das Digitalisieren von Visitenkarten mit Microsoft Outlook und das Beantworten von Bürgeranfragen. Daneben hatte ich - wie in allen Sitzungswochen – Gelegenheit, der Arbeitsgruppe Außenpolitik und dem Arbeitskreis IV beizuwohnen. Ein spannendes Erlebnis war für mich auch die Fraktionssitzung, in der es inhaltlich um die Unabhängigkeit des Kosovos und Steuerhinterziehung bei Managern ging. Zwei Themen, die sehr kontrovers diskutiert worden und die mir die Schwierigkeit politischer Entscheidungsprozesse bewusst vor Augen führten. Beeindruckend war für mich auch die Rede von Marieluise Beck im Bundestag, die aus ihrer Sicht einen „Schlusspunkt“ unter die seit 1999 von den Grünen intensiv geführte Debatte setzte.

Außerdem besuchte ich in dieser ersten Woche eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Titel „Gasprom und die Macht“ sowie eine Podiumsdiskussion im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen zum Thema „Russland vor der Wahl: Menschenrechte“. Marieluise Beck war eine der teilnehmenden Personen und ich hatte das Glück, sie begleiten zu dürfen.

Meine zweite Woche im Büro war wesentlich ruhiger als die erste. Dies lag einerseits daran, dass keine Sitzungswoche war. Andererseits war Marieluise Beck anlässlich der russischen Präsidentschaftswahlen zu einer Reise nach St. Petersburg und Moskau aufgebrochen, um sich ein Bild von der dortigen Lage zu machen und um sich mit Oppositionellen und Menschenrechtsaktivisten zu treffen. Neben kleineren Recherchen wie z.B. zu Svetlana Bakhima, Alexander Kozulin und Religionsgemeinschaften in Usbekistan, verfasste ich einen Terminhinweis zur Russlandreise von Marieluise Beck für die Presse und begann eine Arbeit zur völkerrechtlichen Einordnung des Lufthansa Cargo-Falls. Dieser hatte in der Vergangenheit zu Verstimmungen zwischen Deutschland und Russland geführt, da Russland dem Unternehmen ein Durchflugverbot erteilt hatte, um so die Verlagerung eines Frachtdrehkreuzes von Kasachstan nach Russland zu erzwingen. Interessant waren für mich während des gesamten Praktikums das umfangreiche „Rahmenprogramm“. So konnte ich u.a. an einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin von Human Rights Watch teilnehmen, die aus New York angereist war und  die Regierung aufforderte, gegen die zahlreichen Menschenrechtsverletzung  vorzugehen. Während sich die Mitarbeiter grüner Abgeordnete offen zeigten, stieß sie damit bei den Regierungsparteien auf taube Ohren. Sie verteidigten ihre Politik des Wandels durch Annährung aufs Schärfste und mir wurde deutlich vor Augen geführt, wie frustrierend und ergebnislos NGO-Arbeit sein kann. Sehr interessant war für mich in dieser Woche auch ein Vortrag über Wahlbeobachtung durch OSZE und EU in Zusammenarbeit mit dem deutschen Zentrum für internationale Friedenseinsätze.

Meine dritte Woche stand ganz im Zeichen von 25 Jahren Grüne im Deutschen Bundestag. Im Büro standen vor lauter Anfragen kaum die Telefone still und Marieluise Beck gab unzählige Interviews im Vorfeld. Ich durfte u.a. bei zwei Interviews des „Stern“ und der „Süddeutschen Zeitung“ anwesend sein. Mir wurde dabei bewusst, wie schwierig es für eine Abgeordnete sein kann, sich der Öffentlichkeit und potentiellen Wählerschaft zu präsentieren, ohne gleichzeitig zu viel Persönliches preiszugeben.  

Die „interne“ Feier der Grünen zum Jubiläum wird mir besonders in Erinnerung bleiben und hat meine ohnehin schon große Sympathie für  die Partei noch verstärkt. In einem Film wurden die revolutionären Anfänge der Grünen gezeigt, die sich 1983 vom krassen Außenseiter zu einer fest etablierten Partei entwickelt haben. In einer kurzen Rede nahm Marieluise Beck Bezug auf die schwierigen Anfänge der Grünen im Bundestag und diesen von ihr miterlebten und mitgetragenen Prozess.

In dieser Woche beendete ich meine Arbeit zum Lufthansa Cargo-Fall. In diesem Zusammenhang besuchte ich die Parlamentsbibliothek im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, um nach Verträgen zwischen Deutschland und Russland zu suchen. Außerdem erledigte ich immer wieder kleinere Botengänge, bei denen ich z.B. Marieluise Becks Diplomatenpass bei der Visastelle des Jakob-Kaiser-Hauses abholte. Diesen brauchte sie für ihre zweite Reise während meiner Praktikumszeit, die sie nach Taschkent in Usbekistan führte. Beeindruckend war für mich ihr unermüdlicher Einsatz für die Menschenrechte und ihr wirklich sehr hohes Arbeitspensum. Marieluise Beck hat sich voll und ganz der Politik verschrieben, für Hobbies und ihre Familie bleibt oft nicht viel Zeit.

Am Wochenende gab es dann einen weiteren Höhepunkt meines Praktikums: Der grüne Friedenskongress, bei dem Perspektiven grüner Friedens- und Sicherheitspolitik diskutiert wurden. Im Podium diskutiert wurde zusammen mit internationalen Gästen, Bundestagsabgeordneten und Wissenschaftlern über Themen wie den Klimawandel, Staatsaufbau und GASP. Gleichzeitig gab es die Möglichkeit, sich in Workshops selbst zu Wort zu melden. Nach Meinung vieler „Basisgrüner“ sei dieser Punkt auf dem Kongress allerdings zu kurz gekommen.

Ich persönlich nahm an zwei Workshops teil: “Responsibility to Protect” - Verantwortung zum Schutz von Menschen (mit Kerstin Müller) sowie “Frieden durch Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung” (mit Thilo Hoppe).

In meiner letzten Woche nutzte ich die Zeit, um mir einige Debatten im Plenum anzuhören. Sehr spannend fand ich in dieser Woche auch das Gespräch mit Padre Mauricio aus Kolumbien, der in einem Gespräch mit Mitarbeitern verschiedener Abgeordnete die aktuelle Situation der FARC, der Paramilitärs, des Kokaanbaus und die angespannte Lage mit Venezuela schilderte. Eine weitere Aufgabe, die mich in dieser Woche beanspruchte, war u.a. das Beantworten von Bürgeranfragen.

Insgesamt hatte ich vier spannende und erlebnisreiche Wochen im Deutschen Bundestag, die leider viel zu schnell vergangen sind. Für mich hat es sich definitiv gelohnt aus der „Provinz“ in die Hauptstadt gekommen zu sein. Die Zeit war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung und ich kann ein solches Praktikum all denjenigen, die sich für (Außen-)Politik interessieren, nur empfehlen. An dieser Stelle noch einmal besten Dank an euch – Marie, Melanie, Mascha, Anna und Christoph! Es hat mir wirklich viel Spaß gemacht und ich werde bei Gelegenheit gerne wieder „anklopfen“.