Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Rede beim Europarat zum Kosovo

Am 22. Juni 2010 debattierte die Parlamentarische Versammlung des Europarats den Bericht zur "Situation im Kosovo und die Rolle des Europarats" des schwedischen Abgeordneten Björn von Sydow. Für die liberale Fraktion der Parlamentarischen Versammlung sprach Marieuise Beck zur Kosovo-Debatte.

Hier können Sie die Rede als Video sehen.

Lesen Sie hier den protokollierten Redetext:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Auch ich möchte mich bei Herrn von Sydow für den umsichtigen Bericht bedanken.

Diese Trennung von Schulkindern, die Sie angesprochen haben, finden wir nach wir nach wie vor, 15 Jahre nach Dayton, auch in Bosnien noch vor, was zeigt, wie unendlich lange es dauert, Versöhnung in einer Region herbeizuführen, die durch dramatischen Nationalismus im Blut versunken ist.

Auch wenn es ein Bemühen gibt, zu sagen, man muss sich nicht so sehr auf die Statusfrage konzentrieren, sondern eher an den Standards arbeiten, möchte ich deswegen doch kurz daran erinnern, dass die sicherlich prekäre völkerrechtliche Grundlage für die Intervention im Kosovo eine Folge eines Krieges auf dem Balkan war, bei dem die UNO und Europa viel zu lange zugeschaut hatten – ein Krieg, zunächst mit Kroatien gegen Bosnien, mit über 100 000 Opfern, mit dem Massaker von Srebrenica, das sich im kommenden Juli zum 15. Mal jähren wird, bei dem über 8000 jungen Männer und männliche Kinder aus den Händen der UNO heraus ermordet worden sind.

Mit Srebrenica und der Gefahr einer möglichen Wiederholung vor Augen wurde damals von der NATO diese Entscheidung getroffen, deren Ergebnis diese Unabhängigkeitserklärung war, für die ja schon Jahre zuvor eine gewaltfreie Bewegung unter der Führung von Herrn Rugowa jahrelang gekämpft hatte.

Ich glaube, es ist realistisch zu sagen, dass wir vom Internationalen Gerichtshof sicherlich keine ganz klare und eindeutige Antwort über die Statusfrage bekommen werden, obwohl sie den Aufbau des Landes und State Building schwierig macht.

Nehmen wir die EULEX-Mission: Sie befindet sich im Norden Mitrovicas unter dem Dach der UNMIK – also der UNO – und im Rest des Landes unter dem der Europäischen Union. Das führt zum Beispiel dazu, dass Serbien im Norden eigenständig Richter und Staatsanwälte ernannt hat, was es im südlichen Teil so nicht kann.

Dieses Durcheinander führt natürlich zu einem Verlust von Autorität und Respekt bei Institutionen und macht den Staatsaufbau, der für das Wohlsein der Menschen und die ökonomische Entwicklung dieses Landes unabdingbar ist, sehr schwer.

Insofern stößt jede internationale Mission letztlich wieder an die Statusfrage. Wir können nur hoffen, dass mit einer Perspektive, die allein die Europäische Union geben kann, sowohl Serbien als auch das Kosovo – die ja beide in die Europäische Union wollen – sich unter einem Dach wiederfinden. Das ist im Grunde genommen die Perspektive, die zu Versöhnung führen muss, und die auch die Tür nach vorne öffnet, anstatt zurückzublicken.

Immer, wenn ich in der Region bin, sage ich den Kollegen vor Ort: „Die Europäische Union bedeutet Abgabe von Souveränität, und ihr werdet euch unter einem gemeinsamen Dach wiederfinden, bei dem ihr vorher beide Souveränität habt abgeben müssen.“ Im Grunde ist die Perspektive mit der Europäischen Union eigentlich die Lösung für diese Fragen, an denen sich viele jetzt so festbeißen.

Wir müssen auf den gesamten Westbalkan, auf dem auch Bosnien nicht befriedet ist, schauen. Dort werden regionale Netzwerke hergestellt, die das, was auseinanderfallen musste, jetzt auf einer neuen Basis und mit einer anderen Geschäftsgrundlage wieder zusammenführen.

Ich glaube, nur so kann den Menschen vor Ort gedient werden.

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Lesen Sie hier den Berich des Abgeordneten von Sydow zur Situation im Kosovo samt verabschiedeter Resolution und Empfehlung an den Ministerrat des Europarats.

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