Zur Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNIFIL Mission am 20. September 2006 im Deutschen Bundestag gibt Marieluise Beck folgende Erklärung ab:
1. Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der UNIFIL Mission zu, weil dieser Einsatz die Stabilisierung eines Waffenstillstands zwischen der Hisbollah und dem Staat Israel ermöglicht.
2. Dieser Einsatz findet statt zu einer Zeit, in der Israel durch die Vernichtungsdrohungen aus dem Iran, durch das Streben des Iran nach Atomwaffenfähigkeit und durch den systematischen Aufbau einer Bedrohungskapazität durch die Hisbollah im Südlibanon einer zunehmenden Gefahr ausgesetzt ist.
3. Ich stimme diesem Einsatz in Ermangelung einer praktikablen Alternative zu, obwohl die Resolution 1701 durch den Zwang zu allseitiger Kompromißbildung erhebliche Schwächen enthält, denn sie ist in ihren Zielen und Mitteln nicht eindeutig umrissen. Diese Schwächen der Resolution 1701 haben Auswirkungen auf die rules of engagement. So bleibt offen, auf welchem Wege und durch wen die Hisbollah, die den Süden Libanons faktisch zu einem Staat im Staate gemacht hatte, entwaffnet werden soll.
4. Ich stimme diesem Einsatz zu, obwohl es keine befriedigende Antwort auf die Frage gibt, wie eine Wiederbewaffnung der Hisbollah über den Landweg verhindert werden soll, wenn eben dieser Landweg nicht durch internationale Truppen abgesichert wird und die syrische Regierung erklärt hat, dass sie solche Truppen als einen unfreundlichen Akt begreifen würde.
5. Ich stimme diesem Einsatz zu, obwohl auch hier die Gefahr besteht, daß die UN-Mission wegen der Unklarheit des Mandats oder mangelnder Durchsetzungsbefugnisse zum bloßen Beobachter von Mandatsverletzungen oder im schlimmsten Falle gar zum untätigen Zeugen von Verbrechen wird. Dieser Gefahr muss durch eine klare politische Haltung der truppenentsendenden Staaten, insbesondere der EU, entgegengewirkt werden: Es muss klar sein, daß der Sinn der UNIFIL-Resolution darin besteht, eine Wiederherstellung der Konfliktsituation zu verhindern, die zu dem jüngsten Krieg geführt hat. Nicht nur müssen erneute Angriffe gegen Israel aus dem Libanon verhindert werden; auch eine Wiederherstellung des gegen Israel gerichteten Bedrohungsszenarios mit Kurz- und Mittelstreckenraketen muss verhindert werden.
6. Trotz all dieser Bedenken gibt es zu dem Einsatz internationaler Friedenstruppen keine Alternative, denn dieser durch die internationale Gemeinschaft abgesicherte Waffenstillstand kann den Weg für politische Verhandlungen endlich wieder öffnen. Nachdem der Jahrzehnte andauernde Nahostkonflikt weder Juden noch Palästinensern ein Leben in friedlicher Koexistenz ermöglicht hat, ist es eine Verpflichtung, jede neue Chance auf einen politischen Prozess zu ergreifen, der in einen historischen Kompromiss zwischen Israel und seine arabischen Nachbarn mündet.
7. Ich stimme diesem Einsatz auch deswegen zu, weil bei seinem Gelingen das Modell einer internationalen Truppenpräsenz auch als Garantierahmen für politische Lösungen für den Gaza-Streifen und die Westbank dienen könnte.
8. Ich stimme diesem Antrag auch zu, weil die besondere historische Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel nicht aus einer Bringschuld in ein Privileg - nämlich das des Beiseitestehens - verkehrt werden darf. Die israelische und die libanesische Regierung haben Deutschland um eine Teilnahme gebeten. Diese Bitte ist Verpflichtung genug, um eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen, deutsche Soldaten in einen risikoreichen Einsatz zu entsenden.
Marieluise Beck MdB