Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Russland: Geschichtsfälschung per Klage

Zur Klage der Kommunistischen Partei Russlands gegen die Parlamentarische Versammlung der OSZE erklärt Marieluise Beck, Mitglied der PV der OSZE:

Die Klage der KP Russlands gegen die PV der OSZE ist ein neuer Versuch mit juristischen Mitteln gegen die historische Wahrheit vorzugehen. Sie wäre nicht weiter erwähnenswert, ginge es nur um das Verhalten einer ewig-gestrigen Organisation. Jedoch schöpft diese Initiative moralische Unterstützung aus der Politik des Kreml selbst.

In seiner Präsidentschaftszeit begann Wladimir Putin die dunklen Kapitel der Geschichte in den Schulbüchern schönen zu lassen. Sein Nachfolger Medwedew führt die Bemühungen zur Verklärung der Geschichte fort und ließ eine staatliche Kommission bilden, die nun über die politisch korrekte Geschichtsschreibung wachen soll.

Als erste bekamen das diejenigen zu spüren, die sich in Russland mit der Aufarbeitung der Geschichte beschäftigen. So berichtet die Gesellschaft Memorial über die zunehmende Behinderung in der Aufarbeitung des Stalinismus. Auch die Historiker werden zum Opfer der Verfolgung. Zuletzt ist gegen Professor Suprun aus Archangelsk vorgegangen worden, der in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz die Verfolgung von Rußlanddeutschen während des Stalinismus dokumentiert.

Nun ist eine europäische Institution zum Ziel der Geschichtsfälscher geworden. Die Parlamentarische Versammlung hat die Singularität der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus ausdrücklich betont. Zugleich aber hat sie die historische Existenz „zweier massiver totalitärer Regime – des Nationalsozialismus und des Stalinismus“ festgestellt. Diese Wahrheit wird von der heutigen offiziellen russischen Geschichtsschreibung offen in Frage gestellt.

Die Klage gegen die Parlamentarische Versammlung der OSZE ist der Versuch, Geschichtsfälschung per Urteil auch außerhalb Russlands durchzusetzen. Dieser Versuch der russischen KP stalinistische Methoden in die europäische Gegenwart zu exportieren ist zum Scheitern verurteilt. Es ist aber vor allem eine Beleidigung und Verhöhnung der Opfer des Stalinismus. Zu diesen gehören Kriegsveteranen in Polen oder dem Baltikum, aber auch Millionen weiterer Opfer von Krieg und Terror in vielen Ländern Europas und nicht zuletzt in der damaligen Sowjetunion.

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Lesen Sie hier die abschließende Erklärung der 18. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 29. Juni bis 3. Juli 2009 in Vilnius.

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