Zum heutigen Urteil im Prozess um die Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja erklärt Marieluise Beck:
Die Freisprüche für die drei Angeklagten verdeutlichen das Versagen der Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden im Mordfall Politkowskaja. Anstatt den Auftraggeber und Todesschützen vor Gericht zu stellen, hat die Staatsanwaltschaft drei angebliche Komplizen angeklagt - und eine herbe Niederlage erlitten. Zu schwach die Beweislage, zu widersprüchlich die Verwicklungen der drei Angeklagten.
Damit bleibt der Mord an der mutigen russischen Journalistin unaufgeklärt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schuldigen bestraft werden, ist verschwindend gering. Die fehlende Aufklärung in zahlreichen Mordfällen hat zu einem Klima der Straflosigkeit geführt. Jüngste Opfer sind der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasija Baburowa, die wie Politkowskaja für die "Nowaja Gaseta" schrieb. Auch andere kritische Journalisten müssen um ihr Leben fürchten, etwa der Chefredakteur von "Echo Moskwy", Alexei Wenediktow, der offene Morddrohungen erhalten hat.
Präsident Medwedew hatte die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit zum Ziel erklärt. Doch zehn Monate nach seinem Amtsantritt gibt es kaum Zeichen der Bewegung. Medwedew bekommt ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn seine Kritik am politischen System zu keinen tiefgreifenden Veränderungen führt.