Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Politische Spiele auch zu Lasten Russlands

Lesen Sie hier ein Interview mit Marieluise Beck anlässlich des Besuchs des russischen Ministerpräsidenten Putin in Berlin, erschienen in der Thüringer Allgemeinen:

Thüringer Allgemeine: Kommt Premier Putin nun auch nach Berlin, um zu erklären, dass der Gasstreit so schlimm gar nicht war?

Marieluise Beck: Zumindest wird er sich sicherlich bemühen, Schadensbegrenzung zu betreiben, denn man kann sich ja nicht des Eindruckes erwehren, dass Russland teure Spiele abhält, die auch zu seinen eigenen Lasten gehen. Nicht nur, was die Ausfälle bei Gazprom und damit im russischen Finanzhaushalt anbelangen, sondern auch der Schaden in Fragen der Verlässlichkeit wird natürlich von Tag zu Tag größer. Selbst wenn man konsentiert, dass die ukrainische Seite auch nicht vertrauenswürdig agiert.

TA: Wer trägt die Hauptschuld an dem diesjährigen Desaster?

Marieluise Beck: Das lässt sich so ganz eindeutig nicht sagen. Man kann festhalten, dass natürlich ein Konzern wie Gazprom das Recht hat, bei einem Kunden, und das ist die Ukraine, das Entgeld einzuklagen für gelieferte Ware. Im Umkehrschluss allerdings hat Russland den westlichen Kunden sicher zu stellen, dass Verträge, die Russland abgeschlossen hat, auch eingehalten werden. Man kann ja fast sagen, dass derzeit die Länder des Balkan und Südosteuropa als Geiseln genommen werden, um einen Streit mit der Ukraine auszutragen.

TA: Mischt sich Moskaus Politik verhängnisvoll in Wirtschaftsfragen ein, denn die Ukraine behauptet, beim Gas gemaßregelt worden zu sein für die Kritik am Georgien-Krieg?

Marieluise Beck: In Russland ist Politik Wirtschaft. Präsident Medwedew hatte eine Aufsichtsratsfunktion bei Gasprom inne. So eine enge Verflechtung staatlicher Großkonzerne und Politik wie in Kreml ist bedenklich. Wir haben es hier mit einem staatsbürokratischen Kapitalismus zu tun.

TA: Was muss nun getan werden, damit nicht im nächsten Winter wieder das Gas ausbleibt?

Marieluise Beck: Russland hat sich bislang geweigert, die Energiecharta zu ratifizieren. Das anstehende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland muss mit Verve vorangetrieben werden, auch um Liefersicherheit und Energiesicherheit zu bekommen. Die EU muss aus dem Gasstreit lernen und konsequent auf eine Politik der Energieeinsparung, Energieeffizienz und des Ausbaus der erneuerbaren Energien setzen.

Gespräch: Ingo LINSEL

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