Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Menschenrechte in Russland und Sotschi - Ausbeutung und Unterdrückung statt olympischer Geist

Marieluise Beck und Tom Koenigs stellen fest, dass Sotschi mit dem Geist der Freiheit nichts zu tun hat und die olympischen Spiele in Russland angesichts der Ausbeutung und Unterdrückung nicht für ein friedliches Miteinander stehen können. Den kleinen Filmbeitrag sehen Sie hier.
 
Mehr dazu: Grüner Antrag im Bundestag

Olympische Spiele in Sotschi

Die Coming-Outs bekannter Sportlerinnen und Sportler haben in Deutschland eine breite Diskussion um die Toleranz für die Anliegen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) im Sport angefacht. In vielen Medien wurde die Meinung vertreten, der Umgang mit Homosexualität im Sport sei endlich selbstverständlich geworden. Ein freier Zugang zum Sport für Menschen aller sexueller Orientierungen ist aber bei Weitem nicht die Regel. Noch immer verlassen viele junge Menschen eine professionelle Laufbahn, weil sie Angst vor den Reaktionen auf ihre sexuelle Orientierung haben.

Mit dem Antrag „Menschen- und Bürgerrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender im Sport wahren“ legt die Bundestagsfraktion dar: vor lauter Selbstverständlichkeiten wurde lange Zeit vergessen, die Maßnahmen gegen Homophobie im Sport zu prüfen. Viele Projekte mit einer Ausrichtung auf Sensibilisierung für die Anliegen von LBGT laufen ersatzlos aus. Funktionierenden Programmen der Antidiskriminierungsarbeit fehlt der Schwerpunkt auf Bekämpfung von Homophobie.

Im internationalen Sport stellt sich das Problem der Homophobie zur Zeit noch drängender. Die Olympischen und Paralympischen Spiele finden in diesen Tagen in einem Land statt, dass durch homophobe Gesetzgebung und regelrechter Hetze gegen Homosexuelle international in der Kritik steht. Mit der einstimmigen Verabschiedung des „Gesetzes gegen die Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen vor Minderjährigen“ hat die russische Staatsduma im Sommer 2013 der Diskriminierung von LGBT Tür und Tor geöffnet.

Gleich mehrere russische Politiker haben etwa Homosexualität öffentlich mit Pädophilie gleichgesetzt. Das von der St. Petersburger LGBT-Community veranstaltete Filmfestival SideBySide wurde etwa im Dezember 2013 vom örtlichen Abgeordneten Vitaly Milonov unterbrochen mit der Ankündigung, er käme „um die Kinder herauszuholen.“

Im Rahmen der Olympischen Spiele im nordkaukasischen Sotschi wurde die Homophobie-Debatte direkt in den Sport geholt: der russische Präsident Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit Olympiahelfern erklärt, Homosexuelle seien bei Olympia durchaus willkommen, „sie sollen nur die Kinder in Ruhe lassen“. Diese und weitere Äußerungen zeigen: Homophobie ist in Russland omnipräsent. Im Zeichen des Sports wird hier eine homophobe Rhetorik angestimmt, der die Bundestagsfraktion entgegenwirken möchte. Daher bringen wir die Debatte um Homophobie im Sport mit dem Antrag ins Plenum des Deutschen Bundestages.

Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht. Sie muss während der Olympischen und Paralympischen Spiele ein Zeichen setzen und die homophoben Äußerungen deutlich und scharf kritisieren. Auch andere Zeichen der Solidarisierung sind möglich, wie sich am Beispiel der USA zeigt: die US-Delegation besteht unter anderem aus homosexuellen AthletInnen. Als symbolischer Akt stünde es der Bundesregierung gut zu Gesicht, etwa zur Eröffnung der Paralympischen Spiele am 7. März ebenfalls LGBT zu entsenden.

Auch der Sport selbst kann mehr für die Belange von LGBT in Sotschi tun. Eine entschiedenere Haltung gegenüber den Möglichkeiten des Protests für LGBT-Anliegen wäre ein Anfang. Die Demonstrationszonen liegen viele Kilometer vom Olympischen Gelände entfernt. Hier hätte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) über das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf die Veranstalter einwirken und die Möglichkeiten der Solidarisierung mit LGBT-Anliegen erweitern können. Auch die Bundesregierung hat hier eindeutig zu wenig getan.

In den grundlegenden Prinzipien der Olympischen Charta heißt es: „Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar.“ Daran sollen sich auch die Spiele von Sotschi messen lassen. Bisher klafft eine riesige Lücke zwischen olympischen Werten und tatsächlichen politischen und gesellschaftlichen Zuständen in Sotschi.