Zum Antrag Bosnien und Herzegowinas auf einen Beitritt zur Europäischen Union erklärt Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik:
Wir begrüßen den Beitrittsantrag Bosnien und Herzegowinas als wegweisenden Schritt in Richtung europäischer Integration und als Bekenntnis der bosnischen Regierung, die dafür notwendigen, tiefgreifenden Reformen endlich angehen zu wollen. Es wäre historisch ungerecht, wenn ausgerechnet dasjenige Land, in dem es die meisten Opfer der Jugoslawienkriege gab, von der EU-Annäherung der gesamten Region abgehängt würde. Bosnien und Herzegowina darf nicht ohne Perspektive zurück bleiben. Andernfalls droht angesichts der anhaltenden sozialen und ethnischen Spannungen erneute Instabilität und Gewalt auch über das Land hinaus.
Für den Kandidatenstatus hat Bosnien und Herzegowina noch einen weiten Weg zu gehen. Mit einem neuen Reformansatz versucht die EU, die jahrelange Reformblockade zu durchbrechen. Die Beseitigung ethnischer Quotierung aus dem Staatsaufbau wurde vertagt. Sich auf wirtschaftliche und soziale Reformen zu konzentrieren, entspricht den drängenden Bedürfnissen der Menschen in Bosnien und Herzegowina, die unter den Folgen des Reformstaus leiden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass grundlegende Standards wie Rechtsstaatlichkeit unter den Tisch fallen. Der jüngste Hilferuf der bosnischen Justiz, die starken politischen Druck wegen Ermittlungen in prominenten Fällen beklagt, wirft ein schales Licht auf den Beitrittsantrag Bosnien und Herzegowinas. Kritiker sprechen wegen der bislang unbefriedigenden Reformbilanz von einer virtuellen Agenda der Regierung. Diese Kritik muss die bosnische Regierung in den kommenden Monaten entkräften.
Die Europäische Union ist aufgerufen, die Reformen und die Entwicklung des Rechtsstaats in Bosnien und Herzegowina aufmerksam und kritisch zu verfolgen, damit die EU-Annäherung nicht nur als Lippenbekenntnis stattfindet. Vor dem angestrebten Beitritt muss letztendlich auch das ethnische Quorum aus dem bosnischen Staatsaufbau beseitigt werden. Denn das ist undemokratisch, diskriminierend und widerspricht damit den Grundwerten der EU.