Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

"Will Russland unser Partner sein?"

Interview im Deutschlandfunk

Beck: Russland muss sich entscheiden, welche Politikrichtung es künftig einschlägt

Das Interview zum nachhören auf www.dradio.de

Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, fordert von Russland einerseits ein klares Bekenntnis, wohin es sich angesichts seiner Militäraktionen in Georgien politisch entwickeln will. Bundeskanzlerin Angela Merkel solle, andererseits, bei ihrem heutigen Treffen mit dem russischen Präsidenten klare Worte für die deutsche Position finden.

Christian Schütte: Guten Tag, Frau Beck!

Marieluise Beck: Guten Tag, Herr Schütte.

Schütte: Welchen Umgang mit Russland halten Sie für geboten? Kritisieren oder kuscheln?

Beck: Zunächst einmal einfach eine klare Sprache. Es muss darum gehen auszusprechen was ist, und was nicht geht. Aber es darf der Gesprächsfaden nach Russland natürlich nicht abreißen. Niemand kann Interesse haben zur Rückkehr zu einem Kalten Krieg.

Schütte: Das heißt Sie sagen, Angela Merkel sollte Moskaus Militäraktionen kritisieren, aber auch eben die Partnerschaft zwischen EU und Russland betonen. Aber wie geht das zusammen?

Beck: Es gibt nicht nur eine Partnerschaft zwischen EU und Russland, sondern es gibt auch eine Partnerschaft zwischen EU und Georgien. Wir sollten nicht vergessen, dass es einen europäischen Nachbarschaftsvertrag gibt und dass insofern die Europäische Union sich auch verpflichtet und nahe Georgien gegenüber fühlen sollte.

Zunächst einmal müssen wir mit Russland klären, wo sie eigentlich hinsteuern. Es hat ja sehr große Erwartungen gerade in Deutschland gegeben mit der Ernennung von Präsident Medwedew. Die Hoffnungen, dass es stärker in Richtung Westöffnung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratiebildung gehen würde, war sehr groß. Ich denke, dass diese gewaltsamen Auseinandersetzungen, auch die russische Aggression, die jetzt ja besteht, wenn man sieht, dass nach wie vor Truppen in Georgien steht, nicht zu einem Russland passen, das sagt, wir möchten gerne Teil von Europa im Sinne einer ausgereiften Demokratie sein. Dazu passt nicht, zurückzukehren zu einer Politik der Einfluss-Sphären, wie scheinbar Teile der russischen Regierung des Kreml jetzt wieder anstreben.

Schütte: Das heißt, um das noch mal zu konkretisieren, Sie sehen keine Öffnung, sondern eher imperialistische Züge in Russland?

Beck: Wir beobachten, dass die Stimmen schärfer werden. Wir alle haben ja Putins Auftritt auf der Sicherheitskonferenz in München in Erinnerung und seitdem hat es zunehmend scharfe Töne und auch Handlungen gegeben - nicht nur gegenüber Ländern, die früher einmal Teil der Sowjetunion gewesen sind, wie Georgien, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Ich denke an das Herausdrängen von Shell. Ich erinnere daran, dass TNK BP derzeit große Schwierigkeiten von russischer Seite hat und dass die Sprache insgesamt sehr viel schärfer geworden ist, nämlich immer mit dem Unterton, wir kehren zurück zu alter Größe. Und man hört ja in Russland auch immer, die schlimmste Zeit, die größten Fehler sind unter Gorbatschow gemacht worden, dass er dieses Land hat auseinanderfallen lassen, und wir, Putin und der Kreml, führen Russland zu alter Größe zurück. Das muss sehr, sehr skeptisch machen, wenn ein Präsident Medwedew sagt, wir haben die Pflicht, die Sicherheit russischer Bürger zu verteidigen, wo immer sie auch leben. Da klingeln natürlich im Baltikum alle Alarmsignale und natürlich auch in der Ukraine.

Schütte: Der russische Botschafter Kotenev hofft auf mehr Verständnis für die russische Position. So hat er heute Morgen im Deutschlandfunk gesagt. Also haben wir doch eigentlich zu wenig Verständnis?

Beck: Als erstes soll man klären durch internationale Beobachter. Dass beteiligte Konfliktparteien gerne mal über das hinweg sehen, was von ihrer Seite an Unrecht geschehen ist, das liegt in der Sache und in der Natur von militärischen Auseinandersetzungen. Wir brauchen also militärische Beobachter. Wir brauchen überhaupt den Sicherheitsrat als agierendes Organ und nicht sich wegdrücken, dann wo eigentlich seine Stunde schlägt. Und es muss eine internationale Verhandlungsgruppe geben, in der aber nicht Russland Georgien gegenüber sitzt, denn Südossetien gehört nicht Russland. Es verhandeln nicht Russland und Georgien, sondern wenn, dann müssen Südossetien, die Unabhängigkeitsbewegung dort, und Georgien sich gegenüber sitzen und dann muss es ähnlich wie im Kosovo eine Vermittlergruppe geben mit international anerkannten Vermittlern und Russland in der Kontaktgruppe als eine Stimme, aber nicht als diejenigen, die zu entscheiden haben, wie es dort weitergehen soll.

Schütte: Nun gehen die USA ja auf Konfrontationskurs mit Russland. Aus dem, was ich bei Ihnen heraushöre, sagen Sie, eigentlich sollte die Kanzlerin auch deutlichere Worte gegenüber Moskau finden.

Beck: Weder Sie noch ich sind bei dem Gespräch dabei. Ich kenne die Kanzlerin als eine Frau, die sehr wohl deutlich ausspricht, was ihre Einschätzung ist. Das bedeutet ja noch keinen Krieg, das bedeutet noch keinen Kalten Krieg und das bedeutet noch keine Kampfansage. Man muss sich darüber unterhalten, wo will Russland hin. Und ich sage noch einmal: will Russland unser Partner sein? - Und man sollte auch einmal über Interessen sprechen. Es weiß jeder, dass Georgien strategisch gesehen eine Rolle spielt bei der einzigen Pipeline, die von Zentralasien nicht über russisches Gebiet nach Europa führen würde. Alle anderen Pipelines führen über Russland und wir sind von diesen Pipelines abhängig. Also bitte auch mal über Interessen sprechen. Das ist ja nichts Unappetitliches.

Schütte: Das heißt doch eher kuscheln mit Russland?

Beck: Ich verstehe das nicht. So schlicht denken Sie als Deutschlandfunk ja nicht, dass Sie zwischen kuscheln und Krieg nicht unterscheiden könnten. - Also: klare Sprache, fragen wo Russland hin will, sagen, dass es Grenzen gibt und dass es völkerrechtlich klare Bedingungen gibt, wie demokratische Staaten sich zu verhalten haben. Russland muss sich entscheiden: will es zurück in dunkle Zeiten, was mit Sicherheit eine Verschärfung der Verhältnisse sowohl zu der Europäischen Union als auch im transatlantischen Verhältnis führen würde, oder anerkennen wir, dass wir beide, alle Seiten, mehr davon haben, wenn wir tatsächlich Partnerschaften anerkennen, gemeinsam agieren und auch dort, wo Konflikte sind, sie in der Konfliktbewältigung mit Sprache und Verhandlung klären und nicht mit Waffengängen.

Schütte: Marieluise Beck, für Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Beck: Bitte schön.

© 2008 Deutschlandradio

Thema: