Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Bundestagsrede zur OSZE-Debatte

Am 14. Februar 2008 debattierte der Bundestag einen interfraktionellen Antrag zur Stärkung der OSZE-Wahlbeobachtung des dafür zuständigen ODIHR-Büros in Warschau. Anstoß der Debatte war die Verhinderung der Langzeitwahlbeobachtung durch OSZE/ODIHR der Dumawahlen im Dezember durch Russland. Lesen Sie hier die Rede von Marielusie Beck:

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte unseren Blick einen Moment von der Frage abwenden, wie es Russland mit der Demokratie hält, und ihn stattdessen zurücklenken auf die Institutionen OSZE-Parlamentarierversammlung und ODIHR, diese Perle, wie der Kollege Meckel sie genannt hat. Wir Parlamentarier haben uns bei der Aufgabe, diese beiden Organisationen zusammenzuhalten, was eine Gratwanderung ist, manchmal nicht ausreichend gut verhalten.

(Markus Meckel (SPD): Leider ja!)

Im Vorfeld der Duma-Wahlen gab es eine klare Entscheidung von ODIHR, nachdem den Wahlbeobachtern in Russland die für eine Langfristbeobachtung und -bewertung notwendige Zeit nicht gegeben worden war. Dann gab es vonseiten der Parlamentarischen Versammlung leider eine abweichende Entscheidung, die in der Konsequenz bedeutet: Russland konnte mit dem Prinzip "divide et impera" durchkommen und sagen: Ihr Kurzzeitbeobachter, die ihr am Samstag einfliegt, wunderbar geführte Wahlkabinen und frische Räume seht und am Montagmorgen wieder abfliegt, könnt gern einmal einen oberflächlichen Blick nehmen.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Potemkinsche Wahllokale!)

Euch lassen wir gern kommen.

Aber die, die wirklich in die Tiefe schauen, sind nicht willkommen. Da, Frau Kollegin Knoche, entscheidet sich die Frage, ob Wahlen fair und frei sind. Tiefe heißt nämlich Medienzugang. Können die Kandidaten überhaupt an die Öffentlichkeit gehen? Können Parteien überhaupt registriert werden? Gibt es die freie Presse? Gibt es das Recht auf das freie Wort? All das können wir Parlamentarier als Kurzzeitbeobachter nicht bewerten. Das kann in der Tat in professioneller Weise nur das ODIHR-Büro in Warschau mit einem harten Benchmarking-System und mit gut ausgebildeten Mitarbeitern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist, dass wir unseren parlamentarischen Vertretern und ODIHR sehr deutlich die Sicherheit vermitteln, dass wir nicht damit einverstanden sind, wenn Entscheidungen dieser beiden Teilorgane, der Parlamentarischen Versammlung und ODIHR, auseinanderfallen. Denn wir wissen, dass selbst in dieser Institution Mitglieder sind, die sie nach dem Prinzip "divide et impera" von innen aushöhlen wollen. Ich glaube, jetzt ist sehr klar geworden, worum es in der Vergangenheit ging.

Mit der OSZE waren große Hoffnungen einer Blocküberwindung verbunden. Sie hat unendlich viele Schwächungen und Kränkungen hinnehmen müssen. Ich denke nur an das Ausscheiden unseres Kollegen Duve als Medienbeauftragter. Er hat resigniert, weil die Durchsetzungsfähigkeit der OSZE sehr begrenzt ist. Sie ist begrenzt, weil sie ausschließlich mit Dialog und Konsens arbeitet. Das erfordert eine unendliche Geduld und Zähigkeit. Die Durchsetzungsmittel sind die Kraft der Wahrheit, die Macht der Moral, der Ethik und der Glaubwürdigkeit. Deswegen müssen wir mit diesem Instrument sehr sorgsam umgehen.

Glaubwürdigkeit bedeutet niemals Einäugigkeit. Glaubwürdigkeit bedeutet, sich nicht verführen zu lassen, parteilich zu sein, und weiterhin um die Standards zu ringen, auf die wir uns alle gemeinsam verpflichtet haben, und dann die beim Wort zu nehmen, die Teil der Institutionen sind, aber die Standards nicht erfüllen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

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Lesen Sie hier den Antrag zur Stärkung der Wahlbeobachtung und von ODIHR im Rahmen der OSZE.

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